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Die Schrift an der Wand

Die Schrift an der Wand

Titel: Die Schrift an der Wand Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gunnar Staalesen
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»Und wer ist es, der das fragt?«
Ich schob ihm das Geld hinüber. »Wilhelmsen.«
Er betrachtete das Geld, als sei es falsch. »Und warum fragst
du?«
»Du wurdest mir empfohlen …«
Er sah mich mißtrauisch an.
»… als jemand, der wüßte, wo man an einem freien Abend ein
bißchen Unterhaltung bekäme.«
»Striptease und so was? Da mußt du woanders hingehen.«
»Ich dachte eigentlich an etwas intimere Unterhaltung, sozusagen.«
Er sah mich höhnisch an. »Ich weiß, daß du kein Bulle bist,
und du heißt sicher nicht Wilhelmsen. Was zum Teufel bist du
also? Journalist? Sozialarbeiter? Ein Gesandter vom Kirchenhilfswerk?«
Ich drehte mich halb um und warf einen Blick durch den
Raum.
»Sag das lieber nicht zu laut, Robert. Meine Frau weiß nicht,
daß ich hier bin.«
Er ging ein paar Meter weg, nahm ein paar Gläser und begann,
sie demonstrativ zu spülen.
Ich hob die Stimme. »Ruhig hier heute abend, was?«
Er antwortete nicht.
»Der Abend der Stummen, was?«
Er kam wieder etwas näher. »Hör zu, Wilhelmsen oder wie du
sonst heißt, trink aus, wofür du bezahlt hast und kümmere dich
um etwas anderes, okay?«
»Klare und deutliche Aussage. Meldung angekommen. Over.«
Eine Frau von Ende Dreißig betrat den Raum, warf einen
kundigen Blick in die Runde, konstatierte, daß die Auswahl
nicht groß war und setzte sich dann strategisch günstig zwei
Hocker von mir entfernt.
Mit einem Wink zum Barkeeper bestellte sie ›wie immer‹.
Ich fing ihren Blick im Spiegel über der Bar ein und sie hielt
ihn fest, wie eine magere Hand sich um zwei Glasmurmeln
schließt.
Der Barkeeper kam mit ›wie immer‹, das nichts weiter zu sein
schien als Whisky on the Rocks. Als er das Glas vor sie stellte,
sagte er etwas, das ich nicht verstand, und nach einer angemessenen Pause warf sie einen erneuten, scheinbar zufälligen Blick
in meine Richtung.
Ich hob das Aquavitglas und prostete ihr zu. Nachdem sie
zurückgeprostet hatte, stieg sie von ihrem Barhocker und kam
zu mir herüber. »Einsam?«
»Ich habe nichts gegen ein bißchen Gesellschaft.« Ich nickte
zu einem Tisch und ein paar Stühlen, die ein Stück von der Bar
entfernt standen. »Wollen wir uns nicht ein wenig bequemer
hinsetzen?«
Der Barkeeper folgte uns mit dem Blick, als wir hinübergingen.
Es entstand eine kleine Pause, während wir beide versuchten,
die Situation richtig einzuschätzen. Sie trug ein kleines schwarzes Abendkleid, das aussah, als sei es schon öfter mit ihr in der
Bar gewesen. Ihr Gesicht war mager, das Haar künstlich blond,
und von nahem schätzte ich, daß sie tatsächlich eher an die
Vierzig war als um die Dreißig.
Das Telefon an der Bar klingelte. Der Barkeeper nahm den
Hörer ab und wandte uns gleichzeitig den Rücken zu. »Hat er
was über mich gesagt?« fragte ich.
Sie lächelte leicht. »Daß ich mich vor dir in acht nehmen
sollte. Daß er glaubt, du seist ein Bulle. Stimmt das?«
Ich schüttelte langsam den Kopf. »Nein.«
»Und überhaupt, wenn du als Privatperson hier wärst – ich
habe hier abends schon viele nette Polizisten getroffen.«
»Das glaub ich dir gern.«
Der Barkeeper drehte sich um und sah in unsere Richtung,
noch immer mit dem Hörer in der Hand. Mir kam es so vor, als
versuchte er, mein Aussehen zu beschreiben, und ich bekam ein
unangenehmes Gefühl in der Magengegend.
»Und was machst du wirklich?«
»Ich bin bei einer Versicherung«, sagte ich, und das war noch
nicht einmal gelogen. Ein paarmal im Jahr war ich das tatsächlich.
»Und du?«
Sie trank einen Schluck. »Ich habe als Guide angefangen,
unter anderem in Alt-Bergen. Später habe ich dann mehr bei
Hostessendiensten und so gearbeitet.«
Ich legte den Kopf schief und fragte: »Hostessendienst und
so?«
»Mmh«, sagte sie munter.
Der Barkeeper legte den Hörer auf, aber wenige Sekunden
später klingelte es wieder. Er nahm ab, lauschte und ließ den
Blick im Lokal umherschweifen. Dann hielt er die Hand vor die
Muschel, sah mich direkt an und sagte: »Veum? Da fragt
jemand nach dir.«
»Ich … Das hast du vielleicht nicht mitgekriegt …
Wilhelmsen heiße ich! Es muß für jemand anders sein …«
Der Barkeeper sah mir in die Augen, lächelte schief, sagte
etwas in den Hörer und legte wieder auf.
Sie sah mich an. »Und wie heißt du sonst, außer Wilhelmsen?«
»Svein Vegard. Und du, wie heißt du?«
»Gry.«
»O ja. Von dir hab ich gehört.«
Sie sah plötzlich besorgt aus. »Oh?«
» Tante Gry ist wieder jung, wieder jung,

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