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Die Schrift in Flammen

Titel: Die Schrift in Flammen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Miklós Bánffy
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»Wenn ich je noch ein Duell austragen sollte, dann nur mit denen da …« Er war ein harter Mann, einst ein großer Kunstsammler. In seinem Wohnzimmer standen immer noch einige hervorragende Objekte, obwohl er, wie man sagte, sein Leben in den letzten Jahren damit fristete, dass er hin und wieder einen antiken Kasten oder ein seltenes Stück Porzellan verkaufte. Die letzten, die besten Stücke, die er so geliebt hatte. Und jetzt war er tot. Im Übrigen – ein schöner Tod … einige Augenblicke. Des Renaissance-Mannes würdig.

    Er strich sich mit zwei Fingern über das Kinn. »Jetzt bin ich schon glatt.« Das Mädchen hatte es gesagt, die hübsche Kokotte: »Wie glatt du bist!« – damals, als er vor vier Monaten zusammen mit ihr in großer Gesellschaft, die sich in einem Chambre séparée versammelt hatte, an einem Diner teilnahm. Zu diesem Vergnügen mit Mädchen hatte ihn Neszti Szent-Györgyi eingeladen, ein Cousin Antal Szent-Györgyis im zweiten Grad, selber schon über vierzig, doch damals ein Ideal der goldenen Jugend von Pest und zuständiger Richter in allen Fragen der Eleganz. Er hatte dazu Smoking anzuziehen, und so ging er hin. Drei hübsche Halbweltdamen, ein Pianist spielte Wienerlieder sowie einlullende Tangos und sang dazu. Viel Champagner, sehr viel, auch viel Cognac. Die Herren saßen auf den Kanapees oder um den Tisch auf Stühlen, die man etwas weggeschoben hatte, und rauchten ihre Zigarren. Die Frauen, zumeist allein für sich, tanzten in der Mitte. Ihr Tanz wurde, als die nächtliche Stunde vorrückte, immer verführerischer.
    Mit entblößtem Busen produzierten sie sich und schwangen die schlanken Beine empor. Alle drei waren jung, es war schön, sie zu betrachten. Eine von ihnen, ein weißhäutiges, blondes Mädchen, sank mitten im Tanz neben Bálint nieder, ganz nahe bei ihm. Sie keuchte ein wenig, Schweiß perlte an ihren Brüsten, als wären es taubedeckte Früchte, die man am Morgen pflückt. Sie streichelte das Kinn des jungen Mannes und lachte dazu: »Wie glatt du bist!« Dann kippte sie ein Glas Champagner, schoss auf und setzte den Tango fort. Kein Zweifel, ihr Tanz galt nun ihm: wie sie sich zurücklehnte, in die Knie ging und sich auf dem Boden gleitend abdrehte, wie dabei ihr Rock über den Schenkeln zurückflutete und zwischen den aufreizenden Falten der Spitzenhose die blasse Haut aufschien. Sie blieben lange. Als schließlich alle aufbrachen und den dunklen Ausgangskorridor durchschritten, lehnte sich das Mädchen an ihn: »Besuch mich heute Nachmittag«, flüsterte sie rasch, »das hier ist meine Adresse.« Und sie steckte Bálint ein kleines Blatt Papier in die Tasche. »Um fünf«, versprach Bálint. Tags darauf ging er dann doch nicht hin. Er sagte telefonisch ab. Vielleicht darum, weil er an einer Ausschusssitzung teilzunehmen hatte. Das zumindest brachte er vor. Dabei war sie gar nicht so wichtig. Eine Narrheit, aber irgendwie … irgendwie ging er doch nicht hin. Das Mädchen war so lieb gewesen, eine Narrheit, wirklich. Bei der Rückkehr nach Pest rufe ich sie unbedingt an, dachte er, während er sich vor dem Waschtisch mit heftigen Bewegungen trockenrieb.

    Er zog das steife Frackhemd an und setzte sich erneut vor den Spiegel. Nun sollte beim Ankleiden die wichtigste Minute folgen. Die Schleife binden – eine heikle Sache, beinahe eine Kunst. Man muss das Band von hinten mit einer Bewegung durchziehen, mit einer einzigen, beim zweiten Versuch wird die Oberfläche schon faltig. Entweder gelingt es oder eben nicht. Dann muss man die Schleife langsam fester knoten, bis sie die Form eines Schmetterlings gewinnt. Der erste Anlauf misslang, das Band geriet schräg. Er wählte eine neue Frackschleife, zog sie unter dem Hemdkragen durch und begann die Operation von neuem.
    Gewiss besucht auch Adrienne den Ball. Er stellte sie sich im dunkelgrünen Kleid vor, das sie in Vársiklód getragen hatte. Doch warum sollte sie es anziehen? Sie hat genug andere Kleider. Doch irgendwie sah er sie so, dunkel angezogen, und darüber flatterte das schwarze, gewellte Haar. Sie wird mit dem Alvinczy-Jungen tanzen und mit Pityu Kendy. Mögen sie mit ihr das Tanzbein schwingen – bis zum Morgen, wenn es sein soll. Er selber bleibt ohnehin nicht lange, gerade nur, um sich zu zeigen, damit es nicht heißt, er sei nicht gekommen. Nun passte die Schleife, ihre Flügelchen hoben sich schön steif ab. Er blickte nochmals zustimmend in den Spiegel, dann trat er zum Bett und begann sich

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