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Die Schrift in Flammen

Titel: Die Schrift in Flammen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Miklós Bánffy
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an, begleitet von ihrem Mann und den kleinen Schwestern. Die Frauen stiegen langsam die Treppen hinauf, sie hielten ihre Röcke zusammengerafft und vergruben sich in die pelzverbrämten Ballumhänge. Pali Uzdy wartete nicht ab, bis sie gemächlich oben ankommen würden. Den langsamen Gang dieser Art hasste er. Er zog es vor, auf der Treppe oben auf die Frauen zu warten, statt neben ihnen von Stufe zu Stufe zu schreiten. Dergleichen machte ihn nervös. Er lief also voraus, und als die Frauen erst bei der Kehre anlangten, stand er schon oben vor dem Eingang. Er war ein magerer Mann ohne Schultern, beinahe einen Kopf größer als alle anderen. Er hatte diese Gestalt von seiner Mutter, von der Absolon-Seite geerbt; deren Bruder, der Asienreisende, war ähnlich, freilich viel muskulöser. Pál Uzdy erinnerte an die nach Gounods »Faust« modisch gewordenen Mephisto-Bronzefiguren, deren eine oder andere man auf Kaminsimsen heute noch sieht. Auch sein Kopf, obwohl an östliche Typen gemahnend, wirkte statuenartig. Seine Haut war ölig braun, beinahe grünlich, die Stirn hoch, sie schnitt auf beiden Seiten Ecken ins Haar, das vorn in der Mitte winkelförmig begann; darunter schräg stehende Brauen, breite Backenknochen. Letztere formten, zusammen mit dem Kinn, sein Gesicht zu einem scharfen Dreieck. Kann sein, dass er an diesem satanischen Aussehen sogar Gefallen fand, denn sein spitz geschnittener Kinnbart trug noch zur Überbetonung des Dreiecks bei. Er hatte einen merkwürdigen, auf Tatarenart nach unten gezogenen Schnurrbart, der über dem Mund kurzgeschoren und an den beiden Enden der Länge nach gezwirbelt war. Ein interessanter, ungewöhnlicher Kopf. Seine Kleidung setzte sich aus lauter eleganten, aber schlecht geschnittenen Stücken zusammen, als wollte er sagen: Was soll mir die Mode, ich bin ohnehin vornehmer als die meisten. Ein wenig herablassend schüttelte er die Hand der Organisatoren, Farkas Alvinczy und Gazsi Kadacsay, die, um die Damen am Arm hineinzugeleiten, auf dem oberen Treppenabsatz warteten. Er schaute auf seine Frau, wie sie sich ihm von Stufe zu Stufe näherte. Ein leises Lächeln spielte um Adriennes Lippen. Sie fühlte, dass sie schön war. Sie wusste, dass die Diamantsterne gut zu ihrem schwarzen, jetzt noch geordneten, nicht in wirren Locken gelösten Haar passten. Dass ihre Toilette wunderbar war, wusste sie ebenso. Sie hatte ihr neuestes Kleid angezogen: »Princesse«-Schnitt, eine einzige ungebrochene Linie, die sich unten trichterförmig weitete. Sie sah voraus, dass sie, legte sie erst einmal den samtenen Ballumhang ab, mit ihrem flammenroten Chiné-Seidenkleid, an dem jede Falte irisierend gelbe Lichter warf, überraschen würde. Vielleicht lächelte sie nicht nur darum. Vielleicht bereitete es ihr auch Freude, was ihre kleinere Schwester, die allwissende Margit, vorhin in der Kalesche gesagt hatte. Dass Bálint Abády am Morgen angekommen sei. Es wird also jemanden geben, mit dem sie sich unterhalten kann, jemanden, der nicht nur eine Tanzmaschine ist wie die anderen, sondern gleichwertig in der Unterhaltung. Bei diesen Gedanken hatte sie zu lächeln begonnen. Zugleich freilich machte sich auch eine Frage bemerkbar: Warum freust du dich? Er meidet dich ja. Er blieb neulich auch auf dem Eisplatz aus. Wozu also die Freude? Doch das war nur eine Frage, die vorbeihuschte und die, bis sie auf der Treppe oben anlangte, ihr Lächeln nicht verwischte.
    »Warum lächeln Sie?«, fragte ihr Mann.
    »Ich freue mich auf den Ball.«
    Dies gab sie zur Antwort. Ihre Miene wurde aber ernst. Ein feindseliges Licht erschien in ihren Augen. Und ihre bogenförmigen Lippen schlossen sich ein wenig trotzig, als sie sich von Uzdy mit hochgehobenem Kinn abwandte und den ihr von Baron Gazsi angebotenen Arm annahm.

    Die alten Damen versammelten sich alle der Wand nach im Großen Saal. Auch einige bejahrte Herren, so Sándor Kendy, der Kajsza und der alte Dani, befanden sich unter ihnen. Auch Onkel Ambrus war da, aber er galt noch als Tänzer. Die kleine Tante Lizinka hatte sich zur Beobachtung die beste Position gewählt: die linke Ecke gegenüber der Zigeunerkapelle. Von da ließen sich nicht nur die Tanzenden überwachen, sondern auch die zwei Türen, deren eine ins kleinere Spielzimmer ging, die andere aber in den Billardraum, den man zum Buffet umgewandelt hatte. Der Weg vom Eingang her führte durch das Buffetzimmer, Tante Lizinka hatte auch die Ankommenden in Sicht. Das gab prächtig Gelegenheit, Stoff zu

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