Die Schrift in Flammen
sollte er sich gerade mit dieser komplizierten, launischen Frau befassen, als gäbe es in der Welt nicht genug andere Frauen!
Stumm stieg er den eisigen Pfad hinunter und beschloss, Adrienne künftig zu meiden. Ja! Er wird ihr so lange aus dem Weg gehen, bis er von dieser nutzlosen, ständigen Erinnerung geheilt ist.
Der Schlitten erwartete ihn vor dem Haus von Bandi Mézes. Dort entlohnte er seine Begleiter und fuhr in Richtung Mereggyó weiter. Als sie die Höhe des Bergs Bocsi passierten, der zwischen den Tälern von Kalota und Retyicel die Wasserscheide bildet, trieben von Westen her schwere Schneewolken auf sie zu. Noch vor dem Schneefall erreichte er die Eisenbahnstation von Hunyad.
IV.
In seiner Wohnung in Klausenburg wurde Bálint von einem Telegramm erwartet, das auf seinem Tisch lag. Man hatte das Abgeordnetenhaus einberufen. Er musste sofort reisen, sein Mandat als rechtsgültig bestätigen lassen, an der konstituierenden Sitzung der Kammer teilnehmen. Da er in diesen Geschäften noch recht unerfahren war, empfand er dies als eine überaus ernsthafte Pflicht.
Die Mutter grämte sich sehr, dass er schon wieder fortgehen sollte. »Bleibst du denn nie ein wenig bei mir? Das ist ja fast so schlimm wie zu deiner Diplomatenzeit.« Sie nahm dem Sohn das Versprechen ab, dass er gegen Ende des Monats unbedingt zu ihr zurückkehren werde.
In der Hauptstadt geriet er in eine turbulente Stimmung. Die Koalition, welche die Mehrheit errungen hatte, verkündete, vom Wahlsieg berauscht, laut ihre intransigenten Forderungen: ein selbständiges Zollgebiet, eine Nationalbank und Ungarisch als Kommandosprache – daran würden sie nun keine Abstriche mehr machen! Audienzen beim König folgten ohne jedes Ergebnis. Es hieß, Ferenc Kossuth habe ein 67-er Kabinett unter Andrássys Führung vorgeschlagen und danach getrachtet, seine 48-er Partei zu überreden, eine solche Regierung von außen zu unterstützen. Doch vergeblich. Die einen sagten, er habe die Partei, deren Appetit gewachsen sei, nicht bezwingen können, andere behaupteten, auch Andrássy würde das Amt nur gegen militärpolitische Konzessionen annehmen, die aber die Krone von vornherein zurückgewiesen habe. Das oppositionelle Programm, das jede populäre Losung einschloss, Vorhaben, die man größtenteils nur als zügige, gegen die bisherige Regierungsseite gerichtete Wahlkampfparolen aufgenommen hatte, wurde somit jetzt, nachdem die Urheber unerwartet die Mehrheit erhalten hatten, zum unüberwindlichen Hindernis bei der Übernahme der Regierung. Die Krise wuchs sich nun zur Verfassungskrise aus.
Jene Politiker, die sich – aus taktischen Überlegungen, einzig um den Sturz Tiszas herbeizuführen – trotz ihrer 67-er Überzeugung dem oppositionellen Block angeschlossen hatten, wurden nun zu Gefangenen des Lagers, das für die Unabhängigkeit focht. Weder sie noch die 48-er Führer konnten sich erlauben, ihren im Kampf verkündeten Prinzipien abzuschwören, und sie waren gezwungen, gegen ihre bessere Einsicht auf dieser Seite zu verharren, dies umso mehr, als sie den lautesten Flügel fürchten mussten, die Ugron-Barra-Gruppierung, die, ebenso wie zur Zeit der früheren Obstruktionen, sich außer den eigenen Leidenschaften von niemandem leiten ließ. Diese Fraktion war noch gewachsen, denn die meisten neu Gewählten folgten dieser vorlauten, radikalen Richtung, ja die Hinzugekommenen suchten sie sogar zu überbieten, so wie die Studenten im ersten Semester, die Füchse, mit den alten Juristen dort miteinander wetteifern, wo es am leichtesten ist: beim Zechen.
Glückliche neue Leute. Jeder strahlt ein gewaltiges Selbstbewusstsein aus. Jeder glaubt, auf der Schwelle einer schwindelerregenden Laufbahn zu stehen – wie Burschen nach dem letzten Maturitätsexamen, die während einiger Tage meinen, sie wüssten alles, was man nur wissen könne, und die sich anschicken, morgen, aber spätestens übermorgen die ganze Welt zu verschlingen. Die meisten frischgebackenen Abgeordneten gehörten zur Unabhängigkeitspartei, unter ihnen einige unserer Bekannten, die wir in Vársiklód getroffen haben. So sehen wir nun Béla Varju wieder, den Hauptwerber bei Wahlen im Komitat Maros-Torda mit seinem voll behaarten Gesicht, der nun einen Kreis am Nyárád vertritt, und Doktor Zsigmond Boros, den Abgeordneten von Marosvásárhely, der dank seiner schönen Orgelstimme und dem sorgfältig gepflegten Bart bereits eine gewisse Autorität erlangt hat, die sich als äußeres
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