Die Schrift in Flammen
sammeln, viel Stoff zu Klatschgeschichten. In dem nicht allzu großen Lehnstuhl kauernd – sie fand darin bequem Platz –, die Beine hochgezogen, so spähte sie durch ihre langstielige Lorgnette nach jedem und allem. Sie drehte die scharf geschnittene Geiernase unablässig in alle Richtungen, und obwohl es nichts gab, was sie nicht überwachte, redete sie doch beständig auf ihre Nachbarinnen ein.
»Oh, meine Liebe, es ist, wie ich sage. Ein richtiger Skandal! Sie hält diesen Unhold bei sich, er wohnt in Szilvás bei ihr, und ihr Mann, dieses Rindvieh, hat womöglich nicht einmal etwas dagegen. Vielleicht schafft er es nicht, hat einen zu kurzen Atem«, und sie lachte boshaft. Von Wickwitz war die Rede und von Frau Abonyi, der schönen kleinen Dinóra.
»Gewiss, es ist in unserer Zeit auch vorgekommen, dass Frauen ihre Hofmacher hatten« – und in ihren bösen Augen schien plötzlich eine Erinnerung zu glimmen –, »aber die hielt niemand im eigenen Stall wie einen Zuchthengst, nicht wahr, meine Liebe?« Sie wandte sich mit der Frage an ihre Nachbarin zur Linken, an die alte Frau Kamuthy, von der gemunkelt wurde, dass sie in der Jugend mehr als ein Abenteuer erlebt habe und auch heute noch eine Gönnerin junger Schauspieler sei. Frau Kamuthy brummelte etwas. Sie hatte nicht die Anspielung übelgenommen, sondern Lizinkas Ausdruck »in unserer Zeit«, da sie, obwohl sie gerade jetzt eines ihrer Enkelkinder begleitete und in die Gesellschaft einführte, doch gut zehn Jahre jünger war als die alte Frau Sarmasághy.
»Du kannst es auch bezeugen, liebe Adelma«, setzte Lizinka ihre Rede fort, »sie waren ja in deiner Nachbarschaft, dort haben sich diese Dinge abgespielt.«
Adelma, die gutmütige Frau Gyalakuthy, antwortete jedoch nachsichtig: »Soviel ich weiß, trainierte er im Herbst Abonyis Pferde. Darum wohnte er bei ihnen. Abonyi selber hatte ihn eingeladen.«
»Hi-hi-hi«, kreischte Lizinka, »Abonyi ist der richtige Koch Pali!«
»Wieso Koch Pali?«
»Oh, das ist eine sehr alte Geschichte. Pali, der Koch, stand bei den Telekis im Dienst, bei meinem Urgroßonkel. Der Koch hatte eine hübsche Frau. Da wurde gemeldet, dass ein Kammerdiener jede Nacht bei ihr verbrachte. Darauf knöpfte sich Teleki den Diener vor, der aber sagte: Halten zu Gnaden, Pali, der Koch, hat eingewilligt. Na, wenn er eingewilligt hat, antwortete der alte Teleki, dann habe ich auch nichts dagegen. Und dabei blieb es. Nun, dieser Abonyi ist wie der Koch Pali, für mich heißt er nur noch so.« Mit gekünsteltem Wohlwollen wandte sie sich an Frau Gyalakuthy: »Oh, ich weiß, Wickwitz hat auch euch oft besucht, liebe Adelma. Dagegen habe ich auch gar nichts, warum sollte ein Mann nicht Hahn im Korb sein, und auch die Frau wäre mir geichgültig, ich habe schließlich keine heiratsfähigen Töchter; aber wenn ich welche hätte, dann allerdings würde ich nicht dulden, dass sich dieser gnädige Herr mit seinen Diebsschenkeln unter ihnen herumtreibt …«
»Dieb?«
»Das nennt man so, denn er stiehlt mit den Schenkeln, nicht mit den Händen wie andere Leute«, lachte Lizinka böse. Und so fuhr sie noch lange fort, die beiden Mütter an ihrer Seite zu vergiften.
Das Gewimmel der Tanzenden wurde immer dichter. Mehr und mehr Herren und Damen drehten sich und rauschten vorbei. Drüben beim Eingang entstand Bewegung, welche die kreisenden Paare ein wenig nach innen drängte. Adrienne war mit Judith und Margit, ihren schönen Schwestern, angekommen. Zahlreiche junge Männer eilten ihnen entgegen. Sie reichten ihnen den Arm und führten sie, sich wie Spindeln drehend, in den Tanz. Lizinka spähte eine Weile durch ihre langstielige Lorgnette. Nun zogen Adrienne und Ádám Alvinczy an ihr vorüber. Ein wundervolles Paar. Ádám war, wie alle Alvinczys, ein äußerst stattlicher Jüngling; mit seinem geradlinigen Profil, der etwas kurzen Nase und der steilen Stirn glich er einer griechischen Statue. Er tanzte auch gut. Neben seinem dunkelblauen Frack leuchtete Adriennes Kleid noch heller; es strahlte, als würde es brennen.
»Schaut, schaut!«, gackerte Lizinka mit ihrer Perlhuhnstimme. »Was ist das für ein Kleid! So etwas dürfte man nicht tragen. Sie hat ja außer einem Hemd nichts am Leib! Ehrenwort! Womöglich hat sie nicht einmal ein Mieder! Wegen so etwas hätte man sie in meiner Zeit mit dem Besen hinausgejagt! Skandalös, wahrhaftig!«
Adrienne hörte die Bemerkung. Als sie vor der Greisin eine Drehung beschrieb und sich ihr
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