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Die Schrift in Flammen

Titel: Die Schrift in Flammen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Miklós Bánffy
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Zeichen daran erkennen ließ, dass er in der ersten oppositionellen Bank, in der gleichen Reihe wie Sámuel Barra, Holló und Ugron Platz nehmen durfte. Auch unter den Anhängern Andrássys fanden sich einige neue Leute. Mit dem Mandat eines Kreises im Komitat Fejér zog Frédi Wuelffenstein ins Parlament ein, dessen Namen die rein ungarischen Wähler nicht hatten lernen können, sodass sie mit großer Begeisterung für »Fül István« stimmten.
    Während all der Langwierigkeiten der konstituierenden Sitzung – die Protokollführer lasen Namensverzeichnisse vor und bildeten die Mandatsprüfungskommissionen – ergingen sich die neu Gewählten im Haus, schlossen Bekanntschaften, schüttelten Hände, lachten herzhaft über Wahlanekdoten und vorzüglich gelungene taktische Manöver während der Wahlkampagne. Alle waren so gemütlich und gutgelaunt, dass niemand vermuten mochte, in was für Tiger sie sich in weniger als zwei Tagen, bei Beginn der tatsächlichen Session, verwandeln sollten.
    Die geschrumpfte Regierungspartei bestand aus lauter bisherigen Vertretern. Wortlos und zusammengedrängt saßen sie hinter dem zurückgetretenen Ministerpräsidenten. Es fanden sich auch neue Gesichter, neue Abgeordnete, die stumm blieben. Sie fraternisierten nicht, schlossen keine Bekanntschaften, vermischten sich mit keiner Gruppierung.
    Neun Deputierte hatten abgesondert, in einer hinteren Bank des Halbrunds Platz genommen – mit strenger Miene, in steifer Gleichgültigkeit. Dies waren Abgeordnete der Nationalitäten, ein Serbe, ein Slowake, die anderen Rumänen. Die Rumänen hatten im Januar des gleichen Jahres in Hermannstadt erklärt, dass sie in Aktion treten würden, und sie gewannen sieben Sitze. Die Träger dieser Mandate beobachteten nun wortlos, was vor sich ging, und ihre Fremdheit stach umso eher ins Auge, als einige Bänke zwischen ihnen und den anderen Parteien unbesetzt geblieben waren, gleichsam zur Betonung, dass die rumänischen Vertreter Gemeinsamkeit mit keiner anderen Richtung akzeptierten.
    Die beiden ersten Sitzungen boten dieses Bild. In der dritten standen die Zeichen schon auf Sturm. Denn der neu gewählte Vorsitzende trug in seiner Antrittsrede einen harten Angriff vor, er brandmarkte die gesamte Vergangenheit. Jedes seiner Worte war eine Anklage, jeder seiner Sätze ein Schlachtruf. Hernach allerdings hielt man nur noch zwei Sitzungen ab, bevor das Haus sich vertagte.
    Diese kurze Sessionsperiode brachte außer der Konstituierung ein einziges Ereignis. Es war düsterer Art: ein Duell mit tragischem Ausgang.
    Der alte István Keglevich war einer der wenigen neu gewählten Abgeordneten auf Regierungsseite. Alle glaubten zu wissen, dass Tisza, wäre er nach den Wahlen im Besitz der Mehrheit geblieben, ihm das Amt des Kammervorsitzenden anvertraut hätte. Er war dazu ausersehen, der im November gewaltsam verkündeten Hausordnung Geltung zu verschaffen. Deshalb hatte er sich zum ersten Mal im Leben bereiterklärt, ein Mandat anzunehmen. Als tollkühner und ungestümer Mann eignete er sich tatsächlich für diese Rolle. Er galt als eine hochintelligente und Achtung gebietende Persönlichkeit. Dazu war er grausam wie ein Renaissance-Tyrann und auch ein hoher Herr, obwohl er bei seinen zahlreichen wirtschaftlichen und künstlerischen Unternehmungen Bankrott gemacht hatte. Dies größtenteils darum, weil er seiner Zeit stets um zehn bis zwanzig Jahre voraus war; ob er einen Wald aufforsten ließ, ob er eine Cognacfabrik oder ein Theater gründete, immer zahlte er drauf. Und er bezahlte auch für jeden, bis von seinem einst überaus beträchtlichen Vermögen nichts mehr übrig blieb. Während Jahren hatte er als Intendant der staatlichen Theater geamtet und diesen Dienst hervorragend versehen. Franz Joseph honorierte dies, indem er für ihn die Auszahlung eines Gnadengehalts verfügte. Denn er war zwar im Staatsdienst gestanden, jedoch ohne Rente. Dies war der Punkt, bei dem die Menschenjäger fündig wurden.
    Bei der Präsentation der Berichte über die Mandatsprüfung bat jemand von der äußersten Linken um das Wort. Er sprach von Unvereinbarkeit und klagte Keglevich an, er stehe im Sold des Königs, er werde von Wien bezahlt. Nun, das verursachte großen Jubel. Frisch drauf! Niemand bedachte, dass die Unvereinbarkeit sogleich ein Ende nähme, sollte er auf das Gnadengehalt verzichten. Doch hier brauchte man die Hetze, die Ächtung.
    Hunderte schauderten, schrien und lärmten gegen den alten Herrn, der nun

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