Die Schrift in Flammen
ins Gesicht.
Adriennes Augenbrauen rückten ein Stückchen zusammen.
»Oh, nein. Ich suche gar nichts!« Sie hob ein wenig den Kopf, doch ihr Mund verzog sich beim Gedanken an den Schlittschuhlauf gleich gutgelaunt. »Aber wissen Sie, BA, Bewegung kann mich närrisch machen. Ich brauche mehr, immer mehr.«
»Ja. Das ist’s, was ich spürte. Etwas, was herausbricht, etwas, was dies braucht. Aus großer Tiefe bricht es hervor, aus den Abgründen des Unbewussten, und es eilt, rast und trägt uns. Ich war, sehen Sie, unlängst im Hochgebirge. Ich saß nachts am Feuer, allein an einem riesigen Feuer. Und als all die Flammen in die Nacht emporschossen, da sah ich Sie, wie da die Millionen von Funken flogen, wie es loderte, aufwärts, immer nur hinauf, ohne Ziel, für uns ohne Ziel, und ob das bloß Farbe und Licht war oder eine Gleichung, die irgendein Professor beschreibt, Sauerstoff und Karbongas? Das alles sind aber nur Worte, gekünstelte Begriffe, die das Unerklärliche zu erklären suchen, die Erregung und die Leidenschaft, die uns mitreißen und fordern, dass das Notwendige sich erfülle, dass alles fliege und dahinjage, und es gibt kein Warum, es gibt keinen letztgültigen Grund. Niemand kennt ihn, man kann nicht begreifen, nur spüren, dass da eine allmächtige, gewaltige und unwiderstehliche Kraft am Werk ist, wahr und ewig. Und schauen Sie«, fügte er scherzend hinzu, »welch ein Zufall, dass Sie heute Abend ein flammenrotes Seidenkleid tragen.«
Die Frau lachte: »Ich habe von diesen Dingen wirklich nichts gewusst. Also glauben Sie nicht, dass ich Ihretwegen …«
»Natürlich nicht, und doch, ein klein wenig habe auch ich damit zu tun, nicht allein ich, aber auch ich. Selbst dann, wenn Sie nicht an mich dachten, als Sie das Kleid gewählt und angezogen haben. Selbst wenn Sie an niemanden gedacht haben. Dergleichen, weshalb Sie gerade dies und nicht etwas anderes wählen, geschieht genauso unbewusst wie alles, was sich auf dem Weg der Natur vollzieht, denn Sie finden es schön, da Sie wissen, dass es zu Ihren gewellten schwarzen Haaren und Ihrer Elfenbeinhaut passt, und gestehen Sie: Ging Ihnen heute Abend, als Sie es anzogen, nicht durch den Sinn, dass die Männer sich nach Ihnen umdrehen und die anderen Frauen Sie um des schönen Kleids willen beneiden werden?«
»Woher wissen Sie, dass ich, als ich es anzog, nicht an Sie dachte?« Adrienne ließ diese kokette Bemerkung absichtlich fallen. Das gehörte zu ihren üblichen Manieren im Umgang mit den übrigen Hofmachern. Sie suchte der tiefer dringenden Wirkung zu entgehen, die bei ihr nicht so sehr das von Bálint Gesagte als eher sein warmer, leidenschaftlicher Ton erzielt hatte. Es gab darin etwas Bezauberndes, das ihr missfiel, gerade weil sie daran Gefallen fand, wie sie auch nicht verletzt war, dass er es gewagt hatte, ihre Haut – ihre Haut! – zu erwähnen.
Abády folgte ihr nicht auf diesem Weg. Er blickte ihr kurz in die Augen und fragte dann: »Haben Sie Bölsche gelesen?«
»Ja. Ein wunderbares Buch, aber warum …?«
»Dort steht es geschrieben. Alle höheren Lebewesen tragen Schmuck, im Frühling kleiden sie sich besonders feierlich. Gewiss tragen sie einen Wettbewerb aus, jedes will schöner, besser, begehrenswerter sein als seine Artgenossen. Das geschieht nicht aufgrund von Überlegungen. Ein innerer Befehl wirkt, ein Zwang, ein Bedürfnis, die Lebensbejahung. 10 Auch ich«, fuhr er scherzhaft fort, »habe, als ich vor dem Spiegel meine weiße Schleife band, nichts anderes getan als die Fasanenhähne, die sich im Frühjahr auf beiden Seiten des Kopfes ein Federchen aufstecken.«
»Sie berufen sich immer auf Tiere. Aber wir sind keine Tiere.«
»Nein, das sind wir nicht. Ich könnte aber sagen: schade. Und dies aus mehr als einem Grund, denn wir vermengen vieles gerade damit, was in den Tieren vornehmer, reiner, aufrichtiger lebt. Jedes große Motiv des Lebens ist in ihnen vorhanden: die Mutterschaft, die Liebe, der Schutz der Gemeinschaft. Und das ehrlich, ohne Phrasen. Nicht darum, weil man es ihnen mit schönen Ableitungen und komplizierten Worten beibringt, so wie bei uns, sondern weil sie innerlich, nach ihren Lebensinstinkten empfinden und handeln. Und sie kennen kein anderes Gesetz als ihre Empfindungen. Das Haselhuhn setzt sein Leben aufs Spiel, um den Iltis von seinen Küken fortzutreiben, der Rehbock tritt zum Schutz seiner Familie dem Fuchs entgegen. Und die Hirsch-Comtessen heiraten den oder jenen Bock nicht darum, weil
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