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Die Schrift in Flammen

Titel: Die Schrift in Flammen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Miklós Bánffy
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er viel Geld oder eine vornehme Verwandtschaft hat, es ist nicht ihre Mutter, die ihren Leib verhökert, sondern sie wählen den, an dem sie Gefallen finden. Und sie bleiben bei ihm nur … nur, solange er ihnen gefällt.«
    Bálint sprach den letzten Satz langsamer, auch leiser, und unterdessen blickte er zur entgegengesetzten Ecke des Raumes.
    »Alles, was wahr, groß und ewig ist, kommt rein zur Geltung, denn es gibt kein fremdes Element, kein Vorurteil und keine Theorie, die es stören könnten. Vielleicht ist es das viele Gerede, das den Menschen verdorben hat, während die Laute der Tiere nur Gefühle ausdrücken, keine Begriffe.«
    »Ist es nicht seltsam, BA, dass Sie gegen die menschliche Rede wettern? Gerade Sie? Was tun Sie denn jetzt? Und verwenden Sie nicht eben Begriffe?«
    »Das stimmt, aber ich komme leider nicht darum herum, denn mir wurde eine so gewaltige, so ausdrucksvoll tönende Stimme wie die des Hirschbocks nicht gegeben«, antwortete der Mann, sich in sein Lachen hüllend. »Hätte ich sie, ich darf sagen, es rauschte in diesem Raum, als ob hier eine Orgel tönte.«
    Adrienne streckte sich leicht und zog sich im Lehnstuhl weiter zurück. Eine kurze Weile suchte sie nach Worten, während sich ihre Lippen trotzig krümmten. »Nun ja. Es hat etwas für sich, wie Sie das so … so einordnen. Aber … aber da ist Absicht dahinter. Und Sie vergessen etwas. Oder Sie sprechen darüber nicht. O ja, ich weiß, es gibt viele schöne Worte und Vogelgesang, und das Röhren der Hirsche, sagt man, klinge wunderbar, aber das alles, was auch immer, ist nur … nur ein Programm. Und wenn wir schon von den Tieren sprechen, dann habe auch ich eine kleine Geschichte. Wir fuhren von Mezővarjas mit dem Wagen nach Klausenburg. In Mócs machten wir halt. Dort war gerade Markt. Vor einer Bude trommelte und schrie ein Mann schrecklich: ›Bitte hereinspaziert, da ist der Seelöwe zu sehen! Ein Löwe! Der schreckliche Löwe! Der Seelöwe!‹ Nun, wir sind hineingegangen. Wissen Sie, was drinnen war? Ein elender, kleiner Seehund …« Adrienne lachte und fügte dann etwas bitter hinzu: »Aber wir hatten das Entree, zehn Kreuzer pro Kopf, schon bezahlt. Und das gab man uns nicht zurück!«
    »Ich sehe den Zusammenhang nicht.«
    »Nein? Dabei ist er sehr klar. Alles, was Sie so schön geschildert haben, all das handelt nur davon. Das wohltönende oder … verlockende Programm, das kommt als Erstes: Versprechen, Köder … oder Betrug. Und wenn wir es recht bedenken, ist die ganze Natur darauf eingestellt, denjenigen, der die zehn Kreuzer erlegt, auf jede Weise … so wie jener Ausrufer … zu betrügen.«
    Bálint blickte aufmerksam ins Gesicht der Frau. Die letzten Worte schienen einen Fingerzeig zu liefern. Er entsann sich, was die Frau damals in der Siebenbürger Heide auf der Bank gesagt hatte, und er tastete sich behutsam vor: »Ich glaube das nicht. Nein, so ist es nicht. Im Gegenteil. Je mehr als zehn Kreuzer man zu erlegen hat – denn bezahlen muss man immer –, je höher der Preis, umso prächtiger die Erfüllung. Aber gerade wir erleben natürlich Enttäuschungen, wir sind ja Menschen, und wir vermengen unsere Gefühle wirr mit allem Möglichen, was Konvention ist und Phrase. Wir tun es oft unbewusst, mag die Ursache dies oder jenes oder anderes sein. Der Grund dafür ist nicht nur niedrig. Nein, edle Absicht lässt uns ebenso handeln wie Erbarmen oder sonst das beste und schönste Ziel, an das wir glauben, weil man uns so erzogen hat. Doch all das ist fremd und schlecht, gehört nicht dazu, denn da ertönt nicht das Wort der Natur, sondern das, was Menschen erfunden haben, alte Priester oder Philosophen an ihrem Schreibtisch. Dergleichen hat im Übrigen ohnehin keinen Bestand, es kann keinen Bestand haben, weil es unfähig ist zum Widerstand. Im Hochgebirge habe ich auch das klar durchdacht …«
    »Ebenfalls beim Feuer?«, versuchte Adrienne zu spotten.
    »Nein, vor einem Wasserfall. Stellen Sie sich einen engen, sehr engen Kessel vor, tief wie ein Brunnen. Eis und Schnee überall. Als ob selbst die Felsen gefroren wären. Ich stand unten beim Eisgang …«
    Pál Uzdy näherte sich ihnen. Der Ball dauerte zwar schon geraume Zeit, aber an ihm war alles in solch vollkommener Ordnung, sein Kragen so unversehrt, sein Gesicht so ohne Hitze, als ob er sich gerade erst gewaschen und angekleidet hätte. Er tanzte nämlich nie und setzte sich auch kaum. Gewöhnlich lehnte er sich an einen Türrahmen – sei es am

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