Die Schrift in Flammen
Eingang des Ballsaals, wenn dort getanzt wurde, sei es im Buffetzimmer, wenn sich dort eine Gesellschaft versammelt hatte. Bei seiner Größe blickte das auf Mephisto stilisierte Gesicht über jede Menschenmenge hinweg. Nun trat er mit seinem langsamen, gemessenen Schritt an die beiden heran. Ohne sich um Abády auch nur im Geringsten zu kümmern, richtete er das Wort an seine Frau: »Ich fahre jetzt nach Hause.«
»Nach Hause?«
»Ja. Wann soll ich die Kutsche herschicken?«
»Ich weiß nicht. Ich denke, der Ball wird sicher bis zum Morgen dauern. Es wäre schwierig wegen der Mädchen …«
Etwas wie Beklemmung lag in Adriennes Stimme.
»Natürlich, natürlich«, nickte der Gatte.
»Soll ich die Veranstalter fragen, wann der Ball endet?«, erbot sich Bálint, um nicht stumm dazusitzen.
»Ach nein. Wozu?«, erwiderte Uzdy, doch er wandte sich ihm nicht zu, sondern sprach weiterhin zur Frau: »Bleiben Sie nur. Natürlich, natürlich. Ich werde das Gespann auf sieben Uhr bestellen. Aber es tut nichts, wenn die Pferde warten müssen. Amüsieren, amüsieren Sie sich gut!« Sein großgewachsener Körper bog sich plötzlich in der Mitte, wie ein geöffnetes Taschenmesser, das man zusammenklappt, und er küsste leicht Adriennes Haar. Dann streckte er sich wieder und blickte Abády an. Neben seinem in die Länge gezogenen Schnurrbart schien sich ein höhnisches Lächeln zu verschärfen, das in seinem Mundwinkel stets zuckte. Und seine Hand, turmhoch oben, winkte zum Abschied.
»Servus! Amüsiert euch nur!« Er drehte sich auf den Absätzen und ging langsam hinaus – in gerader Haltung, das Haupt leicht zurückgebogen, und mit den gleichen bedächtigen Schritten, die den Eindruck erweckten, er zügle absichtlich jede seiner Bewegungen.
Adrienne meldete sich nach einem kurzen Moment zu Wort. Mit suchenden Augen, jäh und eilig wie jemand, dem es schwindlig wird und der darum nach einem Glas Wasser greift, so wandte sie sich an Bálint und drängte ihn: »Worüber haben wir gesprochen? Von einem Wasserfall? Wie war es? Erzählen Sie, erzählen Sie weiter.«
»Ich stand zuunterst im steinernen Kessel. In dämmriger Dunkelheit. Eis überall. Wie zutiefst in Dantes Inferno, wo es kein Leben mehr, nur noch Eis, Eisblöcke, Eiszapfen und Rauhreif gibt. In diese zu Stein und Bein gefrorene Welt stürzte sich von oben das Wasser. Mit gewaltigem Schwung durchbrach es am oberen Rand den Schnee und die Felsen, es kam von nirgends, von irgendwo, aus dem Unbekannten, aus einer riesigen Felsschlucht, wohin es unterirdisch gelangt war, es durchriss das Gestein, die Granitwand – der Bach, der unter der Erde, dem Schnee und dem Eis triumphal hervorbrach. Frei geworden, mit der Kraft des Siegers, so warf er sich hinunter, pausen- und endlos, und er verstreute üppig Dunstglorien und Perlenreihen. Und vor meinen Füßen strömte das Wasser weiter, durch das Felsentor hinunter – auf dem Weg des Verhängnisses – weiter, weiter, wie es ihm der Zwang vorschrieb. Dorthin, wohin es musste, und darüber hinaus. Ich stellte mir vor, wie das Wasser durch Gebirgstäler strömt, wie es eilig weite Ebenen durchfließt – hin zum Meer, denn es sucht seine Berufung, folgt seiner Natur, um sich zuletzt mit der ewigen Unendlichkeit der Ozeane zu vermischen. Lebendig und vernichtet, glücklich in der Umarmung der Wellen. Der laute Triumph der Bewegung und des Lebens über jeden Widerstand, das hat sich dort vor meinen Augen abgespielt. Und ich dachte an Sie, so wie jeden Abend am Feuer. An Sie, in der das alles lebt – ich fühle es, ich habe es auch auf dem Eisplatz gesehen und auch in Vársiklód auf der Terrasse und viel früher schon in Ihrem Mädchensalon. All das war unausgesprochen, unausgedrückt, in Vorbereitung damals schon da. Ich habe gefühlt, dass alles, alles nur dies ist, dieses gewaltige und unwiderstehliche und ewige …«
Für eine Weile verstummte er, und dann sprach er es leise, ganz leise, kaum vernehmbar flüsternd und sehr langsam aus: »Ich liebe Sie schrecklich, Addy.«
Adrienne hatte sich im Lehnstuhl zurückgelehnt, und sie hörte, Bálint zugewandt, seinem Reden zu. Sie lauschte wortlos, den Kopf in eine ihrer Hände gestützt. Ihre geschmeidigen Finger bildeten unter dem Kinn einen rechten Winkel, und vielleicht lag es an dieser stützenden Haltung, dass ihre Lippen einen volleren Bogen zu beschreiben schienen. Die Augen hatte sie halb geschlossen, wie man Musik zu hören pflegt. Und sie fuhr nicht auf wie
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