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Die Schrift in Flammen

Titel: Die Schrift in Flammen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Miklós Bánffy
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eleganten Offizier und trippelte an ihm vorüber. Wickwitz drehte sich nach ihr um. Das Mädchen schaute noch zweimal zurück, bevor sie um die Ecke verschwand. Ein hübsches Mädel, dachte Egon und sah sich die Hausnummer an, wo die Dienstmagd herausgekommen war.
    Zoltánka erschien im Tor und winkte ihm aufgeregt, worauf sie hastig durch den hinteren Eingang und rasch weiter zur Dienstbotentreppe schritten, zu steilen, übelriechenden Stufen, die in jedem Klausenburger Haus dieser Art zum hintersten Ende des oberen Korridors führen. Der Junge vorn übersprang jeweils drei Stufen auf einmal, der Offizier ging hinter ihm. Oben angelangt, blieb Zoltánka stehen, spähte in die Runde, und dann huschten sie in sein Studienzimmer. Egon stand nun wieder allein da, nachdem der Junge durch den Korridor weggelaufen war. Erneut wartete er. Er verbrachte die Zeit damit, für seine Mütze einen staubfreien Platz zu finden. Zuerst legte er sie auf das Bett, nahm sie dann aber wieder weg – vielleicht würden sie das Bett benötigen, man konnte ja nicht wissen. Schließlich hängte er sie an die Ecke des Waschtisches.
    Schritte, leichte Schritte. Die Tür ging auf. Judith stand vor ihm. Nervös gab sie ihm die Hand. »Ich habe Sie kommen lassen, weil ich Ihnen sagen … sagen will, dass man mich fortbringt. Fort nach Wien, wir verreisen vielleicht heute oder morgen Abend!« Ihre Beine wurden vielleicht von der Aufregung schwach, plötzlich sank sie auf einen der Thonet-Stühle. Der Mann setzte sich auf den anderen Stuhl an der Tischecke, und mit seinen Samtaugen starrte er das Mädchen an.
    »Denn ich habe es ihnen gesagt! Habe es gestern gesagt! Gesagt, dass wir einander lieben. Dass Sie um meine Hand angehalten haben!«
    Wickwitz machte stumm eine verneinende Geste, sagte aber weiterhin nichts. Judith setzte ihre Rede fort: »Doch! Sie wollen es bloß aus Edelmut nicht, oh, ich weiß! Aber ich will, ich liebe Sie, mir ist alles andere ganz gleichgültig, ich will Sie retten, ja, ich werde Sie retten!«
    Die riesige Hand des Mannes ergriff die Frauenhand auf der zerschnitzelten Tischplatte und drückte sie heiß. Dies sollte Dankbarkeit und Zuspruch bedeuten. Das Gesicht des Mädchens verlor auf die Berührung hin seine entschlossene Härte, die ihre Züge versteinert hatte, sie blickte milder, und Tränen schoben sich zwischen ihre Wimpern.
    »Oh, es war schrecklich! Papa brüllte, aber das hat nichts zu sagen, aber meine Mutter – oh, entsetzlich! Sie sagte Dinge, und … und …« Sie dachte daran, dass die Mutter sie, als wäre sie immer noch ein Kind, mit ihrer dicken, kleinen Hand geohrfeigt hatte, doch sie schämte sich, dies zu erzählen, und so wiederholte sie unablässig: »Oh, es war schrecklich, schrecklich, fürchterlich war es! Aber ich habe nicht nachgegeben, sondern durchgehalten, ich halte durch, wie man mich auch immer behandelt! Das habe ich Ihnen sagen wollen.« Und sie legte ihre Rechte auf die Hand des Mannes, die ihre andere Hand schon bedeckte, als wollte sie mit beiden ein Gelübde ablegen, und sie blickte ihn lange an.
    Egon Wickwitz spürte, dass die Reihe nun an ihm war, endlich auch etwas zu sagen. Er fand nichts anderes als: »Wie gütig, wie gütig Sie sind, Judith!« Und da er meinte, dies sei vielleicht doch zu wenig, stand er auf, hob das Mädchen zu sich auf und küsste es auf den Mund. Das, sagte er bei sich, ist am einfachsten. Die Frau sprach, nachdem er sie losgelassen hatte, leise, doch sehr bestimmt weiter: »Ich will Ihnen gehören, ich gehöre Ihnen. Wenn wir warten müssen, bis ich volljährig bin, meinetwegen, es sind noch zwei Jahre, aber ich halte durch, wenn auch Sie es tun.« Und als hätte sie etwas von dem verspürt, was dem Mann gerade durch den Kopf ging, fuhr sie zu fragen fort: »Wenn Sie so lange auf mich warten, wenn Sie warten könnten … wegen … jener Sache?«
    Bei der ersten Frage hatte es tatsächlich Wickwitzs Hirn durchzuckt: »Der Teufel kann warten!« Denn was sollte mit den Wechseln geschehen, was, wenn die Sache ans Tageslicht käme? Das wäre ein Unglück! Die zwei Wörter »infam kassiert« hatten sich in seiner Phantasie mit Flammenzeichen festgeschrieben. Er glaubte aber, dass er kein Nein zur Antwort geben, den fein geknoteten Faden nicht zerreißen, nicht sagen dürfe: Ich warte nicht. So antwortete er, zwar ein wenig unsicher, aber beruhigend: »Ich werde warten, solange ich kann. Und wenn es doch herauskäme, nun … dann ist … höchstens Schluss!

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