Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Die Schrift in Flammen

Titel: Die Schrift in Flammen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Miklós Bánffy
Vom Netzwerk:
nur ein Pflaster darauf.«
    »Und wie hat es sich abgespielt, erzählen Sie!«, sagte die Frau, und sie zog sich auf seine Bewegung hin, mit der er sie erneut hatte umarmen wollen, ängstlich ein wenig zurück. Ihre Augen schauten so bittend, dass Bálint nun nichts mehr zu erzwingen suchte. Ihm schien, dass er nicht beharren, den wunderbaren Zauber nicht zerstören durfte, der sie so ahnungsvoll in Bann schlug, als wären sie wie Heranwachsende gerade dabei, die allerersten Worte der Liebe zu entdecken. Folglich befahl er sich selber mit Härte, scherzhaft und unterhaltend zu sein, um die Besorgnis in Adriennes Seele zu zerstreuen. Bald erzählte er humorvoll vom Duell, das er mit den vielen seltsamen Einzelheiten schilderte; er trug alles höchst lebendig vor, was er dort empfunden und gesehen hatte, beschrieb die wichtigtuerischen Visagen der Sekundanten, die Ärzte, den Fechtmeister, und all dies übertrieb und malte er so gutgelaunt aus, dass Addy herzhaft und freundschaftlich heiter lachte.
    Es begann zu dämmern. Die Dienstmagd kam herein, zündete in der entfernten Ecke die Tischlampe an und brachte Tee. Sie wollte das Tablett auf dem Tisch abstellen, doch auf Bálints Bitte blieben sie auf den Kissen sitzen – vor dem Kamin, in dem die jetzt neu aufgelegten Scheite Feuer fingen. Das Tablett – amüsant! – befand sich zwischen ihnen beiden auf dem Teppich. »Wie wenn wir auf einem Maifest wären!«, lachte Adrienne, während sie eifrig Butterbrote strich; mit Lust aßen sie auch winzige Pogatschen und süßes Schmalzgebäck.
    Als ob jede Leidenschaft verschwunden, als ob sie nur Kinder wären.
    Adrienne kam es tatsächlich so vor, Bálint womöglich auch. Der unterhalb des Bewusstseins fortlebende Jäger gab aber auf alles acht. Er lauerte auf die Gelegenheit, die Frau wieder in die Arme zu schließen, sie von neuem zu küssen und weiter zu belehren. Adrienne trug ein breites Gewand, ein seidenes Tea-gown, dessen weit geschnittene Ärmel manchmal zurückrutschten, während der weich fallende Stoff ihre Oberschenkel nachzeichnete. Schön, so schön war sie! Und abermals eine andere. Viel inniger als je zuvor, auch etwas fraulicher, obwohl in der Biegung des leicht offenen Kragens manchmal für einen Augenblick ein mädchenhaft dünnes Schlüsselbein sichtbar wurde, und auch ihr Hals gehörte keiner reifen Frau; er war ein wenig magerer, wie bei den archaischen griechischen Statuen. All dies beobachtete er, trank es in sich hinein, legte es zu seinen Erinnerungen, während er unbefangen von Lektüren und politischen Themen sprach und Adriennes stets so eigenständigen Antworten zuhörte.
    Draußen war es mittlerweile dunkel geworden. Die Konversation stockte. Die Sehnsucht erwachte in Bálint aufs Neue. Wie eine Lage schaffen, in der er sie küssen könnte? Etwas anderes als der Abschied bot sich dazu nicht an. Als die Turmuhr draußen sechs schlug, erhob er sich halb, stützte sich aufs Knie. »Ich muss gehen, doch morgen, nicht wahr, darf ich wiederkommen?«
    »Ja, gewiss, kommen Sie, am Nachmittag gehe ich selten aus.«
    Abády umfing sie mit dem rechten Arm. Die Frau suchte nun sanft, sich zu wehren. »Nein, nein! … Bitte, nein!«, sagte sie, und mit starr gewordenem Rücken lehnte sie sich zurück.
    »Dies ist mein verwundeter Arm«, flüsterte ihr Bálint ganz aus der Nähe zu, und die Frau gab auf diese Erpressung hin ihren Widerstand auf. Mit dem Gehorsam einer guten Schülerin überließ sie ihm ihre zurückweichenden Lippen, mit lernbegierigem Eifer und auch mit einiger Ergebenheit. Vielleicht fand sie es angenehm – nicht mehr –, und auch der Arm, den der Mann um sie gelegt hatte, war angenehm, warm und ermunternd, als ob man von einem guten Tänzer geführt wird. Ein bisschen berauschend war es auch, ein wenig, aber nicht viel berauschender als ein Walzer … gerade nur um ein Geringes.
    Bálint küsste sie nun lange, bewusster, fordernder, aber immer noch behutsam, um sie nicht zu erschrecken. Und während der andächtigen Minute vergaß er wiederum alles. Die Hand der Frau ruhte auf seiner Schulter, sie stieß den Mann weder weg, noch zog sie ihn zu sich. Als er sie schließlich losließ und zum Abschied wiederholte: »Morgen also um die gleiche Stunde«, da ergriff Adrienne seinen Arm: »Aber glauben Sie nicht … erwarten Sie, wünschen Sie von mir niemals mehr!«
    »Was meinen Wunsch angeht«, erwiderte Bálint leise, »freilich, ich wünsche mir mehr, wünsche es sehnlichst, anders

Weitere Kostenlose Bücher