Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Die Schrift in Flammen

Titel: Die Schrift in Flammen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Miklós Bánffy
Vom Netzwerk:
erhobenem Haupt, mit absichtsvoller Selbstwertschätzung entgegen, aber innerlich glaubte sie nicht ausreichend an sich selber, in ihrem Inneren war sie demütig, und dankbar freute sie sich, wenn ihr Freundlichkeit zuteil wurde. Vielleicht deshalb dauerte der Eroberungszug so lange. Es hatte der zielbewussten Arbeit von etwa zehn Jahren bedurft, um von den anderen Damen endlich als ihresgleichen angenommen zu werden. In diesem langwierigen Kampf um Anerkennung, den sie gerade darum führte, weil es zur Geringschätzung keinen Grund gab, hatten sich ihre ganze Denkweise und alle ihre Sehnsüchte ungestüm auf den gesellschaftlichen Sieg konzentriert, er war zum gewichtigsten Anliegen geworden, und sie beurteilte alles aus diesem Blickwinkel. Endlich hatte sie es geschafft, endlich gehörte sie zu ihnen, war ihre gleichrangige Gefährtin, eine von ihnen.
    In diesem Moment aber entdeckte sie eine neue Aufgabe: sich bei Hofe, sich in Wien Geltung zu verschaffen. Damit würde sie sich an den Leuten von Pest für die alten Erniedrigungen rächen. Sie könnte sie übertrumpfen, indem sie es fertigbrächte, sie in der vornehmsten, am verschlossensten, auf Rang und Namen meistbedachten Gesellschaft der Monarchie hinter sich zu lassen. Ja, für sie, die einst verachtete Frau aus der Provinz, wäre einzig dies die letzte Genugtuung gewesen. Danach allein dürstete sie, danach allein hatte sie besessen gestrebt. Und sie hätte es erreichen können! Mit der Montorio-Hochzeit hätte sie es geschafft! Und nun war es zu Ende. Zu Ende! Und warum? Weil dieser kleine Laci Klára närrisch gemacht hatte. Dieser doppelzüngige kleine Laci, der sich bei ihnen eingeschlichen hatte, dieser duckmäuserische Neffe, dieser Intrigant, jawohl, Intrigant! Dazu hat er ihre mütterliche Fürsorge benutzt! Auf diese Weise zahlte dieser undankbare Junge die unendliche Güte zurück – ihr, die sie ihn seit seinem zartesten Alter behandelt hatte, als wäre er ihr eigenes Kind gewesen und nicht das jener verkommenen Frau, die mit irgendeinem Abenteurer ausgerissen war und ihren anderthalb Jahre alten Sohn verlassen hatte.
    Das Klappern der trabenden Pferde – tapp-tapp-tapp-tapp! – schien die vielen schmerzenden Erinnerungen zu zergliedern.
    Júlia Ladossa, diese Dirne, die Schande der Familie! Die einstige Tragödie wurde in Fürstin Ágnes wieder lebendig. Mit dem Ponygespann war sie von Szamoskozárd weggefahren, Gott allein weiß, wem sie folgte, und drei Tage später fand man ihren Mann, den armen Mihály Gyerőffy, ihren Bruder, tot im Wald. Er hatte sich mit seinem Jagdgewehr umgebracht, als wäre das Unglück durch einen Zufall herbeigeführt worden. Das hatte zumindest Stil, nun eben, er war von meiner Art, dachte Ágnes. Dieser Laci ist aber nichts mehr als der Sohn jener Dirne. Er schlägt ihr in allem nach! Daher auch seine musikalische Begabung, genau so wie ihre Schwägerin ihr boshaftes Wesen mit künstlerischen Nichtigkeiten bemäntelt hat. Er sieht ihr auch ähnlich. Seine Mutter hatte auf gleiche Art zusammengewachsene Brauen. Ja, er schlägt ihr in allem nach! In allem! Auch in seinem Äußeren, dachte sie, und als sie sich sein Gesicht vorstellte, hielt sie sich einzig an seine Augenbrauen, obwohl László, davon abgesehen, seiner Tante mehr glich als deren leibliche Söhne. Sie aber sah und spürte jetzt nichts anderes, als dass sie ihn unendlich hasste. Dieser Undankbare, dem sie, damit er sich im Leben behaupten könne, gern zu einer guten Partie mit hübscher Mitgift verholfen hätte, er untersteht sich und will sich ihre Klára schnappen. Ihre Klára! Aber vielleicht war noch nicht alles verloren! Wenn das nur eine vorübergehende Laune Kláras sein sollte? Vielleicht ließ sich die Sache noch beheben? Vielleicht war es zwischen Montorio und dem Mädchen nur zu einer kleineren Reiberei gekommen?
    Ihr Instinkt glaubte zwar nicht an diese Möglichkeit, aber gleichviel: Man musste die Rettung versuchen. Sie beschloss, das Mädchen am nächsten Morgen zu einem Verhör zu sich zu zitieren.
    Die Kalesche fuhr donnernd zum Tor des Palais Kollonich hinein. Der junge Diener zog vor allen weiteren Formalitäten, die beim Aussteigen fällig würden, aus dem geräumigen Wagen den länglichen Blumenkorb heraus, der sich bisher – als Kláras Kotillon-Beute – vor den Füßen der Frauen befunden hatte. Das größte und frischeste unter der Unzahl rosafarbener und roter Extra-Bouquets war Gyerőffys safrangelber Nelkenstrauß, er lag

Weitere Kostenlose Bücher