Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Die Schrift in Flammen

Titel: Die Schrift in Flammen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Miklós Bánffy
Vom Netzwerk:
Augen. Warum hatte ihn diese Frau mit ihren Briefen zum Narren gehalten, dachte er bei sich, sie war schuld an diesem beschämenden Versuch. Er verbeugte sich ein wenig steif und schritt weiter. Nicht zur Treppe, sondern hinaus ins Freie. Sein schwarzer Frack verschwand im nächtlichen Dunkel.

    Es mochte auf morgens drei Uhr zugehen, als die Kollonich-Kalesche beim Park-Klub unter den Säulen des Kutschenausgangs vorfuhr. Eine wundervolle Karosse, die, achtfach gefedert, leicht schaukelte. Vollkommen war sie, diese Equipage – zu einem solchen Gespann gehört nun einmal das französische Wort –, in Pest fanden sich nur zwei bis drei vergleichbar schöne Wagen. Man hatte zwei stattliche Braune eingespannt, runde, glänzende Tiere. Mit gestreckten Hinterbeinen blieben sie stehen wie das Ross des Königs Mathias, die von Fadrusz geschaffene Reiterstatue; man hatte ihnen dies sorgfältig beigebracht. Beliebig lang konnten sie bewegungslos in dieser Stellung ausharren, nicht einmal ihr ballartig geschnittener Schweif regte sich, denn es waren bestens dressierte Pferde. Sie trugen das Nachtzaumzeug, an dem alle Metallteile schwarz waren, mit der einen Ausnahme des kleinen kupfernen Wappens auf der Außenseite der Scheuklappen; mit dem vergoldeten Zaumzeug paradierten sie nur, wenn sie am Tag durch die Stefania-Allee trabten oder wenn in der Stadt Besuche gemacht wurden. Der dicke Chefkutscher saß auf dem Bock – die Mode verlangte, dass der Kutscher dick war –, während der mitfahrende junge Diener um des Gegensatzes willen spindeldürr und von kleinem Wuchs zu sein hatte. Auch ihre Kleidung war der nächtlichen Stunde angepasst: ein dunkelgrauer, bis zum Knie reichender Einreihermantel mit beinernen schwarzen Knöpfen und weiße Hosen in Kappenstiefeln mit rosarotem Revers; die kornblumenblaue Livree, zu der wappengeschmückte Knöpfe gehörten, trugen sie nur tags; auch die spiegelglatt glänzenden Zylinderhüte hatte man jetzt durch Regenzylinder aus Filz ersetzt.
    Man verkehrte zu der Zeit in der Stadt schon zumeist mit dem Auto, doch die Fürstin Kollonich war nicht willens, sich von ihren zwei Kutschenpferd-Paaren und den wundervollen Kaleschen zu trennen, deren vorbildliche Gestaltung sie dermaßen viel Studium und Aufmerksamkeit gekostet hatte. Ein schönes Auto kann jedermann haben, dazu braucht es nur Geld, aber im Besitz einer vollkommenen Equipage sind nur jene, die über Geschmack, Sachkenntnis und Tradition verfügen. Schließlich hat man es ja nicht eilig, weil es zur Eile keinen Grund gibt.
    Der junge Diener sprang herunter und hastete zum Eingang. In der Tür verbeugte er sich stumm. Fürstin Ágnes und Klára, in ihre Ballüberwürfe gehüllt, brachen auf. Der Diener übernahm Kláras Blumen von einem der Klub-Lakaien, nahm sie rasch unter den Arm und eilte zum Wagen; er öffnete die Tür und ließ das Treppchen hinunter, das in zwei Stufen aus dem Wagen herausquoll. Die Damen stiegen ein. Die Treppe fuhr hoch, die Tür klappte zu. Der Junge sprang hinauf auf den Bock. Das Gespann rollte auf Gummirädern lautlos weg.
    Nur die Pferdehufe klapperten: topp-topp-topp-topp. Dies war das einzige Geräusch. Die Pferde kamen sehr langsam voran, kaum schneller als in gestrecktem Schritt, denn sie holten mit den Vorderbeinen nicht aus, sondern schleuderten sie hoch, vor die eigene Nase, so wie sich das für richtige Kaleschenpferde, für »carrossiers«, gehörte.
    Die Kutsche fuhr langsam der Innenstadt zu.
    Frau Ágnes und Klára saßen wortlos im Wagen, an die Seidenpolsterung zurückgelehnt, beide mit eng geschlossenen Lippen. Frau Kollonich spann die Gedanken fort, die Montorios frostiger Abschied bei ihr ausgelöst hatte.
    Was war geschehen? Da musste etwas geschehen sein. Sie wusste, dass er beim Kotillon Kláras Partner gewesen war; folglich hatte er auch mit ihr soupiert. Beim Nachtmahl also! Er hat um sie angehalten und vom Mädchen einen Korb bekommen! Das war’s. Das musste geschehen sein, etwas anderes konnte es nicht sein, sonst hätte es das sonderbare Aufblitzen in den Augen des Mannes nicht gegeben. Aber dieses Mädchen! Dieses törichte Mädchen! Eine solche Partie auszuschlagen, jemanden zurückzuweisen, der alles hat und ein hübscher, reicher, gesunder und vornehmer Mann ist! Diesem Mann einen Korb zu geben! Und warum? Um wessentwillen? Wegen dieses kleinen Nichts, wegen dieses Laci! Ach, gewiss! Sie hatte schon während der Faschingswochen beobachtet, dass sie beim Souper immer

Weitere Kostenlose Bücher