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Die Schrift in Flammen

Titel: Die Schrift in Flammen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Miklós Bánffy
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dann, wenn sie aus irgendeinem Grund zürnte. Ob sie wohl schon wusste, dass sie Montorio einen Korb gegeben hatte?
    »Natürlich, lass uns gehen«, antwortete sie mit fröhlicher Bereitschaft, denn ihr Gewissen war bei weitem nicht ruhig. Stumm stiegen sie die Treppen hinunter, stumm nahmen sie im Wagen Platz. Jetzt, da die Pferde langsam, rhythmisch dahintrabten – tapp-tapp-tapp-tapp, so klapperten die Hufe auf dem Steinpflaster –, jetzt wurde die Frau mit neuer Gewalt von all dem überfallen, was sie sich im Einzelnen ausgedacht hatte. Wie viel Mühe, Anstrengung und Scharfsinn ist da verschwendet worden, welch glänzender Plan ist in Rauch aufgegangen! Endlich hatte sie es so weit gebracht, dass man sie und die ihrigen auch in der Kaiserstadt als gleichrangig, als vollberechtigt dazugehörig betrachten und selbst in den vornehm unzugänglichsten Salons von Wien als ihresgleichen anerkennen würde. Wäre die Heirat Kláras gelungen, dann wären sie auch im mächtigen Palais Montorio zu Hause gewesen, in dieser Zitadelle des hoffärtigen »Olymps«, sie stünden dort und hätten dazu das heiligste Recht, das der Eroberung. Dies hätte ihre gesellschaftliche Laufbahn gekrönt! Und auch Klára wäre mit einem so stattlichen, herrschaftlichen Gatten glücklich geworden, und für die Söhne der Fürstin Ágnes hätten sich alle Wege zu glänzenden Karrieren eröffnet. Unendliche Erbitterung kam über sie, da dies nun unwiederbringlich verloren war.
    Tapp-tapp-tapp-tapp, klapperten die trabenden Pferde, und die Kutsche dahinter knisterte leise.
    Ihre Erinnerung flog zurück zu den Anfängen ihrer Karriere, als sie, die beiden Gyerőffy-Mädchen, Ágnes und Élise, nach Budapest gezogen waren. Ihr Vater, Tamás Gyerőffy, ein Mitglied der konservativen und katholischen Sennyei-Partei, war Abgeordneter geworden. Die Partei galt als vornehm, lauter feine Herren gehörten ihr an, unter ihnen Albert Apponyi. Sie beide wurden zu der Zeit von ihrer Mutter in die große gesellschaftliche Welt eingeführt. Sie waren beide schön, tanzten ausgezeichnet, sie hatten eine vorzügliche Erziehung genossen, sprachen – damals eine Seltenheit – sogar Englisch, und es ging ihnen trotzdem recht schlecht. In Siebenbürgen wären sie die Ersten gewesen, während man sie hier als Fremde, als Ankömmlinge betrachtete, als eine zweitklassige Überflüssigkeit. Die Mütter und ihre Töchter unter den Hiesigen sprachen mit ihnen stets nur in gönnerhaftem Ton, wenn sie überhaupt das Wort an sie richteten. Wie viel Demütigung hatte sie während der ersten Faschingszeiten erleiden müssen! Dann kam die erste Schicksalswendung. In Balatonfüred lernte sie Louis Kollonich kennen. Dies geschah nicht auf einem Ball, denn Kollonich trug wegen seiner verstorbenen Frau noch Trauer, sondern bei einer Regatta auf dem See. Der gute Louis vernarrte sich auf der Stelle in sie. Er legte die Trauer ab. Am letzten Tag des Segelwettbewerbs, nach einer Bekanntschaft von vier mal vierundzwanzig Stunden hielt er um ihre Hand an. Und sie heiratete ihn. Wie denn nicht? Nicht dass sie in diesen pausbäckigen, im Gesicht mopsartigen Witwer verliebt gewesen wäre; anderes hatte ihr ganzes Wesen mit sich gerissen: eine Fürstin Kollonich zu sein, den Sieg davonzutragen über all die Budapester Mädchen, die mit ihr bisher so herablassend gesprochen hatten, zur ersten Dame zu werden im Kreis, wo sie bisher abfällig behandelt worden war, im Besitz eines großen Vermögens in einem riesigen Schloss zu leben, wohin eine Einladung eine Gnade bedeutet, in Ungarn im Mittelpunkt der Gesellschaft der Hochrangigen zu stehen! Sie glaubte, all dies werde ihr wie auf einen Zauberschlag zufallen.
    Nun, auf einen Zauberschlag ging es nicht. In der ersten Zeit, mochte sie auch schon eine Frau Kollonich sein, behandelten sie die anderen einheimischen Damen stets sehr von oben herab. Die Bösartigeren unter ihnen ließen manchmal auch Anspielungen auf ihre Siebenbürger Herkunft fallen. »Dort gibt es Bären, nicht wahr?« »Gibt es dort auch etwas anderes?« »Wirklich?« Und sie taten so, als könnten sie ihren altungarischen Namen kaum aussprechen: »Was ist das für ein Name?« 18 Sie waren abscheulich! Vielleicht trug auch sie Schuld daran, dass man sie erst so spät akzeptierte. Der Fehler lag auch bei ihr. Sie vermochte sich vom Gefühl lange nicht zu befreien, dass die anderen sie übertrafen. Sie kam sich zweitklassig vor, wie eine Zugereiste. Zwar trat sie ihnen mit

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