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Die Schrift in Flammen

Titel: Die Schrift in Flammen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Miklós Bánffy
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kleine Dinóra, Abonyis Gattin. Sie machte den Eindruck, als diskutierte sie über etwas. Ihr Gesicht wirkte ungewöhnlich ernst, sie hatte die feinen Brauen zusammengezogen, und ihr sonst immer lächelnder Mund verriet jetzt Zorn.
    László Gyerőffy schritt zum Primas und übernahm dessen Geige. Er zupfte die eine und andere Saite und hob den Bogen. Die Kapelle hielt inne. Sie wartete, was er anstimmen würde. Ein freudiges Rauschen ging durch die Zuhörer. Rufe ertönten von allen Seiten: »Der Laci! Großartig! Lasst, lasst uns hören! Ach, ausgezeichnet!« Von den Klausenburger Gelagen mit ihren Zigeunerkapellen kannten bereits viele sein Spiel. Und Gyerőffy setzte mit der Geige ein. Er spielte nicht diese einlullend gefühlvollen Lieder, die man bisher vernommen hatte, sondern scherzhafte, harte, aufrüttelnde Weisen, »Die drei Töchter der Frau Csicsó« und »Leicht hast du es, Kati, unter warmen Daunen« und dergleichen.
    Er sang nicht dazu, sondern rezitierte an einzelnen Stellen den Text spöttisch oder trotzig. Auch er ahmte ein wenig Frater nach – das taten damals viele –, doch war er kein so sklavischer Imitator wie die anderen. Irgendwie bot er eine Mischung von Lóránt Fraters Stil und der Vortragsweise einer französischen Diseuse.
    Die Violine quiekte ab und zu spaßhaft, als würde sie gekitzelt, die G-Saite knisterte, sie schien entsetzt, die eine oder andere fragende Pause trat ein, worauf sich dann die Melodie wieder lachend entfaltete, um sich in guter Laune auszutoben. Er hatte mit jedem Lied großen Erfolg. Der Applaus, der sich wiederholte, die Hochrufe und das Gelächter feuerten indessen László mehr und mehr an. Er war wohl auch etwas angeheitert. Er suchte immer merkwürdigere Wirkungen und benutzte dabei beinahe schon die Tricks eines Musikclowns. Er begann mit tapsenden Schritten herumzulaufen, sprang zwischen den Stühlen hin und her, er drehte sich, kehrte flink um und nahm erneut vor dem Zimbal seinen Standort ein. Hernach wieder bückte er sich und hielt beim Spiel das Instrument über den Knien, ein andermal dann über dem Kopf, manchmal kauerte er tastend nieder oder machte einen Bocksprung, doch der Ton blieb stets breit und schön und der Rhythmus einwandfrei. Pongrácz beobachtete bekümmert das Geschick seiner Geige. All das war äußerst merkwürdig. In einem Varietétheater hätte es eine tolle Nummer abgegeben. Alle lachten, viele ließen sich zu Zwischenrufen verleiten.
    Bálint ärgerte sich über die clowneske Darbietung. Da er sich bei der Tür in seiner Nähe befand, sagte er leise zu ihm: »Spiel etwas von deinen eigenen Sachen.«
    Gyerőffy hielt inne, und sein Gesicht wurde plötzlich ernst. »Ich habe nichts, was sich für die da eignet …«
    »Die ›Valse macabre‹«, riet Bálint. Das war eine frühere, sanftere Komposition Lászlós.
    »Die! … Die wäre vielleicht möglich«, antwortete der Cousin, und er wandte sich den Zigeunern zu.
    Er stimmte sie mit einigen Akkorden in Ges-Dur ein. Dann streckte er sich und trat vor. Alle blickten verwundert auf ihn. Ein völlig anderer Mensch hatte plötzlich den Spaßmacher von zuvor abgelöst. Eine ernste Falte kerbte sich in seine breite, glatte Stirn ein, die das dichte, gewellte braune Haar umrahmte. Ein harter Zug erschien neben seinen tatarisch anmutenden Backenknochen, und der zuvor muntere Mund nahm einen beinahe schmerzlichen Ausdruck an.
    Er hielt sich gerade, sehr elegant, sehr ruhig. Als stünde er auf dem Podium bei einem elitären Konzert, so verharrte er einige Augenblicke, die Augen unter seinen zusammengewachsenen Brauen fast geschlossen. Und dann setzte er ein. Ein tiefer, wohl über vier Takte durchgehaltener Ton – die Zigeuner markierten leise die Begleitung –, und dann nahm der seltsame Walzer seinen Anfang. Es war eine verlängerte Melodie, nicht die üblichen sechzehn Takte. Eine moderne, schmerzliche Musik, die hier und dort unerwartete Übergänge kannte und mit der Bitterkeit verletzend dissonanter Septimen fortschritt. Die Zigeuner gerieten in Verwirrung. Der Primas schüttelte insgeheim den Kopf. Musik dieser Art gefiel ihm nicht. Laci jedoch spielte weiter, obwohl die Kapelle, erschrocken, ihm nur spärlich, tastend folgte. Er beendete das Stück beinahe allein.
    Kaum war die Violine verstummt, rief Farkas Alvinczy den Zigeuern: »Vorwärts!«, und er kommandierte die Musik zurück in den Ballsaal. Schon nach Augenblicken erklang der neueste Wiener Walzer aus der »Lustigen

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