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Die Schrift in Flammen

Titel: Die Schrift in Flammen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Miklós Bánffy
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versuchte sie es mit einem anderen Thema: »Und Sie, BA, was werden Sie hier zu Hause unternehmen? Was haben Sie vor?«
    Doch Bálint antwortete nicht auf diese Frage, sondern auf das zuvor Gesagte: »Ich glaube das nicht. Oh, nein. Dass die Schönheit im Leben bloß eine Lüge wäre? Nein. Ich glaube im Gegenteil, sie ist der einzige immerwährende, unvergängliche Wert in der Welt. Die Schönheit der Absicht und der Tat. Das ist, was man suchen kann und soll. Die Verteidigung aller anderen ethischen Thesen hinkt, diese ist die einzige, die allen Argumenten standhält, gerade weil sie nicht mit einer trockenen Beweisführung umschrieben und in dogmatische Fesseln gelegt werden kann. Erinnern Sie sich? Wir haben uns seinerzeit schon über diese Dinge unterhalten.«
    »Ja. Wie sollte ich mich nicht erinnern. Damals … habe ich daran vielleicht sogar geglaubt …«
    Bálint hätte gern gefragt: Und warum jetzt nicht mehr? Doch er spürte, dass sie sich – sollte er sich dem heimlichen Schmerz nähern, der hinter Adriennes Worten lag – gleich verschließen würde. Eine Weile betrachteten sie die mondbeschienene Landschaft wieder stumm.
    »Viele schöne Worte. Die Leute sagen viel Schönes«, nahm Adrienne den Faden leise wieder auf, »vieles, was nach Aufgabe und Berufung klingt.«
    Ihre Augendeckel senkten sich weiter, als suchte sie die Form dafür, was ihre Erregung erzählen, ihr Instinkt aber verheimlichen wollte. Und so versuchte sie es mit einem Gleichnis. »Schauen Sie, wie wunderbar jetzt der Hügel dort drüben ist. Lauter Ahnung, sanfte, weiche Linien. Ungewiss und schön. Wir wissen nicht mit Sicherheit: Dampf oder Dunst oder Traum … oder Schönheit, wie Sie sagen. Man könnte jetzt meinen, es sei möglich, darin unterzugehen, sich damit zu vereinen und zu verschwinden, wie im Nebel. Von hier aus, jetzt, scheint das glaubhaft. Weil es Nacht ist. Wirkung des Mondscheins. Des verlogenen Mondscheins … Dabei ist dort drüben eine harte Bergflanke. Noch nicht einmal ein heroischer Fels, sondern ganz gemeiner gelber Lehm an einem trockenen Steilhang, wo nur Dorngestrüpp und mageres Gras wachsen. Wenn der Tag anbricht, dann stellt es sich heraus: Was wir drüben sehen, ist eine Schafweide. Sehr nützlich, versteht sich. Aber alles, was wir morgen darüber sagen können, ist nur, dass so und so viele Schafe und so und so viele Lämmer dort Nahrung finden.« Und nun lachte sie leicht und fügte wie zur Selbstverspottung hinzu: »Sie sehen, welch seriöse Landwirtin ich geworden bin, seit wir uns nicht mehr getroffen haben.«
    Bálint antwortete wieder so leise wie zuvor, er spürte aber selber, dass seine Stimme wärmer klang. »Möglich, dass das dort drüben, wirtschaftlich gesehen, nur Nutzland ist. Möglich, dass es morgen nicht mehr und nicht weniger ist als eine gemeine Weide, auf der sich blöd blökende Schafe mit großen Eutern tummeln. Aber heute ist es das nicht. Jetzt nicht. Und dass es ein Morgen gibt, davon weiß ich heute nichts, und das ficht mich auch nicht an. Heute ist es schön, und diese Schönheit, die uns die Augen füllt, die Ihren und die meinen, die bleibt für immer unser Eigentum. Niemand und nichts kann sie uns nehmen. Wir verschließen sie im Stahlturm der Erinnerungen, den keiner betreten darf, sie wird dort schlafen wie die Dornröschen-Prinzessin, die wir jederzeit wecken können, sodass sie vor uns hintritt. Doch nur wir können sie wieder ins Leben zurückrufen, Sie und ich, die wir von ihr erfüllt sind und sie zu sehen und zu fühlen vermögen.«
    »Die Erinnerungen kommen auch dann, wenn wir sie nicht rufen. Darunter auch jene, die … die keinem Dornröschen gleichen«, erwiderte Adrienne.
    »Aber es zählt nur unser Bewusstsein, unser Gefühl. Das allein tut richtig weh und bereitet Freude, nicht das, was von außen, von anderswo kommt, nicht das Fremde. Im Geheimen und auf unabänderliche Weise urteilt über uns selber nur unser innerer Gerichtshof.«
    »Mag sein«, sagte Adrienne kaum hörbar. Den Kopf auf die Handfläche gestützt, blickte sie in die Ferne; ihre Augendeckel verengten sich von neuem, als grübelte sie wieder darüber nach, wie sie etwas mitteilen könnte, das sich so, wie es sich in ihren Gedanken meldete, nicht mitteilen ließ.
    Bálint wartete. Er wartete darauf, dass sie spräche. Darauf, dass er mehr zu sehen bekommen, ihr tiefer in die Seele blicken könnte. Auch er sah sie jetzt nicht an, denn vielleicht würde er sie damit verwirren;

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