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Die Schrift in Flammen

Titel: Die Schrift in Flammen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Miklós Bánffy
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Wagen, die kreuz und quer durcheinander fuhren. Einmal sei er beinahe in einen Schragenkorb gefallen, ein andermal an einer Wagenleiste hängen geblieben und zuletzt vom Staub fast erblindet. Und hier holte ihn der schlaue Jóska ein, dem die Székler Platz gemacht hatten, hier, an der Verbindungsstraße, vorher hatte er es gar nicht versucht. Hier hingegen stürmte er mit seinem grässlichen Fünfergespann gegen ihn vor, überfuhr ihn beinahe: »Ech wollte miech die Seele aus dem Leib stampfen!« In der engen Allee, die nur eine Spur breit ist, war dann an ein Überholen nicht mehr zu denken.
    »So hast du mich betchogen, du entsetzlichech Mensch!«, wandte er sich mit klagendem Blick, doch lachendem Mund Jóska Kendy zu, der all dem mit wortlosem Hohn zuhörte und dann, um seinen Freund noch mehr zu ärgern, trocken bemerkte: »Dein scheckiges Pony, Gazsi, ist gar kein Pferd, sondern eine Pfeife, keinen Pfifferling wert.«
    Gazsi bog sich unter der Last der furchtbaren Kränkung, er griff sich mit beiden Händen an den Kopf, als wäre er am Schädel von einem Schlag getroffen worden: »Und dazu beleidigt ech mich auch noch! Einmal wechde ich diesen Mann umbchingen!« Und er drohte ihm mit der Faust.
    Doch sein Zorn war nur gemimt, ein Spiel, ebenso wie seine Verzweiflung wegen der verlorenen Wette. Jóska galt ihm als Vorbild, und da er wohl wusste, dass er ihn als Kutscher niemals überflügeln und es ihm nicht einmal gleichtun konnte, so wollte er sich zumindest als Reiter seines Freundes würdig erweisen. Dass er die Wette verloren hatte, erschütterte ihn keineswegs, es freute ihn vielmehr, denn sein ganzes Weltbild wäre ins Wanken geraten, wenn ein Unterfangen Jóska Kendys mit einem Misserfolg geendet hätte. Somit war er glücklich über den Ausgang und auch darüber, dass sich nun ein Anlass bot, das Geschehene in Clownmanier klagend allen vorzuspielen. Zum herzhaften Gelächter gesellten sich jetzt aber andere Klänge. Musik ertönte im Saal. Laji machte den Auftakt mit einem alten Siebenbürger Walzer. Die Melodie setzte breit in der Tiefe der G-Saite ein, man nannte das Stück vielleicht darum den »Breiten Walzer«.
    Das Gesicht des Primas strahlte. Die anderen Mitglieder der Kapelle taten es ihm gleich. Offensichtlich war ihnen ein üppiges Nachtmahl vorgesetzt worden, und womöglich hatte sich sogar die eine oder andere Flasche Champagner auf den Tisch der Zigeuner verirrt. Farkas Alvinczy, der Vortänzer, ergriff Idus Laczók, drehte sich mit ihr und entschwand – hinüber in den langen Esssaal. Die anderen Paare folgten. In wenigen Augenblicken füllte sich der ganze Raum mit Damen in bunten Kleidern, welche – die einen mit erhobenem Kopf, die anderen enger an den Partner geschmiegt – sich wie Spindeln um ihre Tänzer drehten und das glänzende Parkett entlangglitten.

    Tanz. Tanz. Tanz. Vielerlei. Zwei französische Quadrillen, zweimal Csárdás – stundenlang –, Walzer mehrmals und auch eine Polka, die aber niemand mochte.
    Es ging schon auf halb zwei zu, als sich die mittlere Doppeltür des Großen Salons öffnete und die freundlich-rundliche Gestalt Frau Laczóks in Erscheinung trat. Man war gerade dabei, die letzten Figuren des »Lancier« zu beschreiben, eines aus der Biedermeierzeit stammenden Tanzes, den man damals nur noch in Siebenbürgen pflegte. Sie wartete das Ende ab, dann winkte sie Farkas Alvinczy. Der Vortänzer befahl dem Primas mit gebieterischem Ruf Ruhe, und die Musik verstummte.
    Die Jugend ergoss sich in den breiten Salon, wo sie von einem Buffet erwartet wurde. Die Zigeuner eilten zu ihrem nun schon dritten Nachtessen. János Kádár und ein Stubenmädchen wechselten die Kerzen in den Venezianerleuchtern, während die Ausleihdiener und Ferkó in großer Eile das Parkett scheuerten, um die vielen Stearinflecken zum Verschwinden zu bringen.
    Riesenlärm, Tellergeklirr und Gelächter herrschten um den lang ausgezogenen Tisch, auf dem für die jungen Leute Unmengen feiner kalter Speisen standen: Schüsseln mit Forellen und Haselhuhn, ein langer Rehrücken – sie stammten vom Laczók-Hochgebirgsgut in Csík –, ferner Schinken sowie (als Hauptattraktion) herrliche Hasen- und Perlhuhnpasteten, deren Zubereitung, wie diejenige der Hechte, zu den bestgehüteten Geheimnissen der Hausfrau gehörte. (Einzig den intimsten Freundinnen verriet sie so viel: »Ohne den süßen Spätlesewein, meine Lieben, lässt sich das nicht machen.«) Auch stattliche Torten, Eingemachtes,

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