Die Schrift in Flammen
und unter den einstigen Kameraden begann nun die Diskussion darüber, wer wie viele Mandate bekommen sollte. Denn dies bestimmen nicht die Wähler, sondern diejenigen, die am grünen Tisch hinter verschlossenen Türen verhandeln.
Auch Bálint war zufrieden, dass der unselige Zustand, der das Staatsschiff schier zum Kentern gebracht hatte, nun zu Ende war. Sein Mandat wurde nicht in Frage gestellt. Ördüng, der bisher suspendierte Vizegespan, der jetzt in Maros-Torda das Amt des Obergespans übernahm, wünschte in diesem Fall keine Änderung. Es wäre ihm auch schwergefallen, Abády niederzuringen, und er wollte seine Kraft auf die Landkreise in der höher gelegenen Region konzentrieren, wo bis dahin Miklós Absolon geherrscht hatte. Die alte Frau Sarmasághy, Tante Lizinka, die jetzt als Schutzgeist des neuen Regimes ihre Rolle spielte, redete dem Obergespan zu, gegen ihren eingefleischten Widersacher vorzugehen. Bálint dagegen nahm sie in Schutz; sie honorierte damit seine Hilfe am Vorabend der Komitatsversammlung in Vásárhely, seine Bereitschaft, sie auf ihrem Weg zum nichtsnutzigen Tamás Laczók zu begleiten; ebenso rechnete sie ihm hoch an, dass in der Eierschlacht auch er »Abzug« geschrien hatte.
Zweierlei schmälerte Bálints Freude. Zum einen ein Satz, den ein soeben eingetroffener Brief Slawatas enthielt: »Was wird bei dieser Lösung mit der Wehrbarkeit der Monarchie?« 31 Die Verschiebung der Modernisierung der Armee sei sehr gefährlich, hieß es in seinem Schreiben: »Wir werden uns verspäten! Alle rüsten, nur wir verharren untätig.« Abády verscheuchte trotzdem diesen Gedanken. Kein Zweifel, sagte er sich, der gegenwärtig einzige Feind der Monarchie, Russland, bleibt durch die Niederlage gegen Japan, durch die stets schwelende Revolution, die immer wiederkehrenden Pogrome und die Militärrevolten für lange Zeit gelähmt. Allzu bald kann es sich nicht erholen. Dann allerdings, von Ostasien zurückgedrängt, wird es sich bestimmt dem Balkan zuwenden. Aber vielleicht haben wir bis dahin noch Zeit.
Zum anderen machte ihm eine persönliche Betrübnis zu schaffen. Nach der Ankunft hatte er sich nach László Gyerőffy erkundigt. Zufällig ergab es sich, dass er Niki Kollonich fragte. Dieser lachte bösartig: »Wie denn? Du weißt es nicht? Er ist nicht mehr Mitglied des Casinos. Ja, natürlich, das Kartenspiel. Ein Glück, dass man ihn nicht hinausgeworfen hat. Man erlaubte ihm auszutreten. Gott sei Dank …«
»Und das macht dir Freude?«, entgegnete Bálint zornig.
»Bewahre, wie kannst du dir das vorstellen! Gesagt habe ich das nur darum, weil es uns Verwandten, nicht wahr, doch sehr unangenehm wäre, wenn man ihm den Laufpass gegeben hätte. So ist die Sache trotz allem glatter vor sich gegangen …«
Bálint begab sich sofort in die Museumstraße. Ein kleiner Anschlag am Tor des Mietshauses verkündete: »Im dritten Stock möbliertes Zimmer mit eigenem Eingang zu vermieten.« Er wandte sich an den Hausmeister.
»Ja. Graf Gyerőffy hat seine Wohnung aufgegeben und ist verreist. Schon vor zwei Wochen. Er hat alles mitgenommen.«
»Eine Adresse hat er nicht hinterlassen?«
»Nein. Ich glaube, er ist wohl nach Siebenbürgen gefahren. Ich weiß es nicht …«
31 Der ganze Satz deutsch im Original (A.d.Ü.)
IX.
Bevor Gyerőffy zuletzt nach Várad und dann nach Klausenburg reiste, wo sich der verhängnisvolle Zusammenstoß mit Wickwitz ereignete, hatte er der schönen Fanny versprochen, in Siebenbürgen nur drei bis vier Tage zu verbringen, hernach zurückzukehren und sie nach Mailand zu begleiten; den Ausflug wollte die schöne Fanny wegen einer Puccini-Premiere in der Scala unternehmen, und sie gedachte, sich von ihrer ganzen Hofhaltung, von Szelepcsényi, d’Orly, Solymár und Devereux sowie von ihren zwei Cousinen, begleiten zu lassen. Fanny hatte sich das zu einem Teil ausgedacht, um ihren Freund auf diese Weise dem unvernünftigen Leben zu entreißen, das ihr immer mehr Kummer bereitete. Und es wäre ja auch schön, für längere Zeit in die Fremde zu reisen, im gleichen Hotel zu wohnen, ganze Nächte zusammen zu verbringen, was zu Hause ja gar nicht in Frage kam. Als László auch nach einer Woche nicht zurückgekehrt war, schickte sie ihm Telegramme, eines nach dem anderen. Sie bekam keinerlei Antwort, was sie sehr kränkte. Man muss ihm doch eine kleine Lektion erteilen, dachte sie, und sie verreiste, wenn auch recht enttäuscht, zusammen mit den anderen in die lombardische
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