Die Schrift in Flammen
Hauptstadt.
Gyerőffy kam in Budapest nach ihrer Abreise an. Er traf spät am Abend ein. Er wäre auch sonst nicht zu Hause geblieben, doch jetzt, in dem selbstquälerischen Zustand, in dem er seit der Wickwitz-Affäre lebte, erschien ihm selbst der Gedanke unerträglich, dass er sich in der dunklen und kalten Wohnung schlafen legen sollte. Auf der langen Reise, während der er die Innentasche seiner Weste alle fünf Minuten betastete, ob das dicke Bündel von Banknoten, das Lösegeld für Fannys Perlen, noch vorhanden sei, war er unablässig von einem Gedanken gemartert worden: Du bist genau so niederträchtig wie »Bikfic«. Wie hast du es gewagt, ihn zu insultieren, du, der du in derselben Schande lebst? Und fortwährend wiederholte er bei sich: Ebenso niederträchtig bist du, ebenso niederträchtig …
Wo hätte er hinsollen? Er begab sich ins Casino. Seine Füße trugen ihn automatisch hin. Er hatte es eilig, er wusch sich nur, zog sich aber nicht einmal um. Auch auf dem Weg ins Casino hörte er nicht auf, das Bündel von Banknoten zu betasten. Sein letztes Geld, mehr gab es nicht, er sollte es ja nicht verlieren. Es war Mitternacht, als er anlangte.
Im Erdgeschoss fand ein Ball statt. Der Fasching dauerte in diesem Jahr lange. Die Musik klang laut heraus. Durch eine kleine Nebentür trug man gerade die Kotillon-Blumensträuße in den Ballsaal. Wie ein weiterer harter Dolchstoß, so wirkte dies auf ihn. »Auch das ist zu Ende! Auch da hast du versagt und gehörst nicht mehr dazu!« Er hastete die Treppen fast im Laufschritt hinauf, um die Musik nicht zu hören. Im ersten Raum hielten sich viele auf. Sie diskutierten über Politik. Einige Tage zuvor waren Dezső Bánffy und Károly Eötvös aus der Koalition ausgetreten. Sie begründeten ihren Schritt mit einer früheren Aussage Ferenc Kossuths. Dieser hatte erklärt, er habe von vornherein gewusst, dass der Kampf der Koalition erfolglos bleiben werde. Das war, nicht zu leugnen, eine ehrliche, aber ungeschickte Wortmeldung. Bánffy und Eötvös benutzten sie zum Bruch und zum Angriff. Sie, die – wie sie sagten – bisher an den Erfolg geglaubt hätten, könnten nicht hinter jemandem stehen, der das Land bewusst auf einen aussichtslosen Weg geführt habe. Hier nun debattierte man zornig über ihren Austritt. László eilte weiter.
Im unteren großen Kartenraum war eine Pokerpartie mit kleinen Einsätzen im Gang. Gyerőffy setzte sich nicht zu den Spielern, ließ sich aber ein Tischchen herschaffen und nahm dort das Nachtessen ein. Er bestellte Absinth, das am meisten berauschende Getränk, um die während der ganzen Reise quälende Selbstanklage endlich zum Schweigen zu bringen. Die Zeit verging. Kiebitze kamen vom Bakk-Zimmer im ersten Stock. Sie berichteten von einem gewaltigen, mitreißenden Spiel oben. László betastete unwillkürlich das Geldbündel, das seine Weste auf der Seite vorquellen ließ. Er fuhr wortlos fort, sein Getränk zu schlürfen. Später kam abermals jemand von oben. Er erzählte, dass Ársenovics, »der schwarze Kakadu«, alles verliere, was nur komme. Der Bunjewatz habe phantastisches Pech. Dann kam noch einer und sagte dasselbe.
László erhob sich und schlenderte in das kleine, dunkle Zimmer, von wo die Treppe nach oben ging. Er horchte. Ab und zu vernahm er ein leises Klirren, den Ton der Jetons, und einzelne Wörter: »Je donne … non … Les cartes passent …«
Er blieb lange stehen, wiederholt betastete er das Geldbündel über der eigenen Brust. Dann stieg er, wie von einem Magnet gezogen, in den ersten Stock hinauf.
Stehend, gebannt sah er dem Spiel zu, das schwungvoll im Gang war. Zwanzig- bis dreißigtausend wurden von verschiedenen Seiten am Tisch gehalten. Dönczi Illésváry, der untersetzte Rozgonyi, Wuelffenstein und Gedeon Pray, Kleine und Große, alle gewannen. Vor Neszti Szent-Györgyi standen die Perlmuttplättchen in einem Haufen. Ihm gegenüber saß Zénó Ársenovics. Um ihn gab es nun keinen einzigen Bewunderer; Kiebitze haben nicht die Gewohnheit, bei einem Verlierer auszuharren. Sie hatten zur anderen Seite des runden Tisches hinübergewechselt, wo sie eine Gruppe bildeten. Es wirkte, als führe die gesamte Gesellschaft einen Belagerungskrieg gegen den Millionär aus der Batschka, der sich, zwischen zwei leeren Plätzen breit auf die Ellbogen aufgestützt, mit eisiger Miene dem Schlachtgetümmel stellte. Nach den verlorenen Runden notierte er auf einem kleinen Zettel ruhig die Summe. Seine zerkaute
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