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Die Schrift in Flammen

Titel: Die Schrift in Flammen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Miklós Bánffy
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Kleie mischt …«, sagte Szent-Györgyi frostig.
    Frédi indessen tobte weiter: »Doch, doch! So ist es, ich habe es soeben aus bester Quelle gehört. Sie haben sich geeinigt! Mit irgendeiner Formel verzichten sie auf die militärpolitischen Forderungen, ebenso auf die Bank und das Zollgebiet, auf alles, hingegen akzeptieren sie das allgemeine Wahlrecht auf der Grundlage von Kristóffys Vorschlag. Ihre Einigung kostet uns Kopf und Kragen, wir dürfen zum Teufel gehen, wer wäre auch imstande, gegen eine solche Demagogie zu bestehen? Das Ganze dient einzig dazu, uns zugrunde zu richten.«
    »Unmöglich! Undenkbar!«, ließen sich viele Stimmen in wirrem Durcheinander vernehmen. »Ich kann’s nicht glauben!«
    »Kannst du’s nicht glauben? Ja, was erwartest du von diesem Kossuth, der im Gegensatz zu uns noch nicht einmal Ungar ist, sondern Slowake!«, brüllte Wuelffenstein. »Jawohl, ein Slowake mit gelber Brust, ›kohút‹ auf Slowakisch heißt doch ›Hahn‹, wie jedermann weiß. Aber ich biete ihm einen Boxkampf, wo immer ich ihn vorfinde, einen Knock-out bekommt er von mir!« Hierauf schlug Frédi mit der Faust mächtig auf den Tisch und stürzte dann hinaus, als wolle er das Gesagte gleich ausführen.
    Die Leute waren zufrieden, dass Frédi das Weite suchte. Es war doch eine heikle Sache, solchen Reden zu lauschen, am Ende würde man sich Unannehmlichkeiten zuziehen. Auch fanden sich bereits einige, die sich überlegten, wie sie sich zu Ferenc Kossuth schlagen könnten. Die meisten aber saßen bedrückt da, denn was sie vernommen hatten – sollte es sich als wahr erweisen –, bestürzte sie in der Tat; weder Andrássys Lager noch die Volkspartei, zu denen sie zum größten Teil gehörten, konnten einem Vorschlag zustimmen, den sie zuvor so oft öffentlich gebrandmarkt hatten. Sie sahen den Ruin all ihrer Hoffnungen vor sich, und eine trübe, lähmende Stimmung bemächtigte sich der ganzen Gesellschaft. Einen einzigen, letzten Hoffungsschimmer gab es: Vielleicht stimmte die schockierende Nachricht doch nicht.
    Es entsprach der Wahrheit, was Wuelffenstein so hitzig und verworren hinausposaunt hatte. Der Pakt besagte tatsächlich, dass außer den drei Posten, deren Nominierung der Herrscher sich persönlich vorbehielt – dies betraf die Verteidigung, die kroatischen Angelegenheiten und den Minister am königlichen Hoflager –, je drei Minister aus dem 48-er und dem 67-er Lager ein Kabinett bilden sollten, und zwar solche, die für das allgemeine Wahlrecht eintraten. Dies schloss also die Anführer aus, die bisher dagegen Stellung genommen hatten.
    Doch es kam anders. Kossuth rief noch am gleichen Nachmittag das einstige »Führungskomitee« zu einer letzten Sitzung zusammen und stellte das Übereinkommen vor. Nun geschah etwas Unerwartetes.
    Die Verfassungs- und die Volkspartei erklärten, dass auch sie sich auf die Grundlage des allgemeinen Wahlrechts stellen wollten. Von heute auf morgen dem zuzustimmen, was sie bisher für gefährlich gehalten hatten, musste für sie ein großes Opfer bedeuten, aber sie nahmen es auf sich. Sie taten es wohl mit dem Ziel, aus der Regierung jene auszuschließen, die gegen die Stimmung und den Willen des Landes dem »Kaiser« dienten; sie taten es in der Auffassung, dass das nationale Interesse, wenn das allgemeine Wahlrecht schon unbedingt eingeführt würde, bei ihnen in besserer Obhut wäre. Auf solche Weise erschien plötzlich alles verändert. Der Himmel hatte sich aufgehellt, alle überließen sich einem unbeschwerten Freudenrausch. »Alles errungen«, verkündeten sie lauthals, »Sieg! Endlich Sieg!« Zwar hatte man weder die selbständige Armee bekommen noch die Kommandosprache, noch die Säbelquaste; auch bei den gemeinsamen wirtschaftlichen Angelegenheiten blieb alles beim Alten, es gab weder eine eigenständige Bank noch ein eigenes Zollgebiet. »Aber diese Fragen sind dank einer listigen Formel nur vertagt; dank einer guten, ja vorzüglichen Wortwahl, die in ihrer Unbestimmtheit den juristischen Anspruch aufrechterhält. Das Recht wurde zwar nicht anerkannt, aber es ist gerettet!«
    Man beflaggte die Stadt. Vom Balkon am Sitz jeder Partei wandten sich Redner an die zahlreich erschienenen Delegationen. Alle sprachen von Triumph, und die Massen jubelten. Die Tore Eldorados, so meinten alle, seien aufgesprungen.
    Wahlen wurden angesetzt. Tiszas Anhänger entschieden sich für ein passives Verhalten. Die Koalitionsparteien verfügten folglich über alle Wahlkreise,

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