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Die Schrift in Flammen

Titel: Die Schrift in Flammen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Miklós Bánffy
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Stück vorangegangen. Die Reihe wurde von den zwei Lubiánszky-Mädchen und von László geschlossen.
    »Dieser Gyerőffy ist Ihr Cousin, nicht wahr?«, fragte jetzt die schöne Frau Berédy. »Wir hatten für gestern Abend abgemacht, dass er mich beim Gesang am Klavier begleiten würde, ich habe auch meine Noten kommen lassen, aber dann kam es irgendwie nicht dazu. Wir hatten es beide vergessen.«
    »Das ist allerdings ein schlimmes Versäumnis seinerseits. Ich werde ihm sagen …«
    »Ach, wo! Sagen Sie ihm nichts, die Sache ist ohne Bedeutung. Sie fiel mir bloß ein, weil er dort vor uns geht.« Und sie beschleunigte ihren Schritt auf dem Weg, der sie zwischen dem doppelten Spalier der herausströmenden Treiber hindurchführte. Abády ging nun hinter ihr her. Ihm fiel der merkwürdige, wankende Gang der Frau auf, bei dem sie einen Fuß immer genau vor den anderen setzte. Ginge sie im Schnee, dachte er, dann hinterließe sie eine einzige Spurenreihe, genau wie die Fußabdrücke der Wildkatzen, ja, genau so.

    Nachdem sie heimgekehrt waren, gesellte sich Bálint im großen Roten Salon zu László: »Fährst du heute Abend zurück?«
    »Ich habe es vor. Wenn ich um halb zehn wegfahre, erreiche ich noch den Nacht-Bummler.«
    Er gab die Antwort ein wenig unbestimmt und blickte dabei den Fragenden nicht an, sondern heftete seine Augen auf ein Paar, auf Montorio und Klára, die am Ende des Raums auf einem Kanapee zusammen beim Tee saßen.
    Klára hatte diesen Platz gewählt, der für die Stiefmutter vom Marmorsalon aus gut einsehbar war, sodass sie wahrnehmen konnte, wie brav und gehorsam sie sich benahm.
    »Die Gräfin Fanny hat nämlich mir gegenüber ihr Singen erwähnt. Ich habe den Eindruck, sie könnte ein bisschen verstimmt sein, weil es gestern nicht dazu gekommen ist. Vielleicht sprichst du deswegen ein Wort mit ihr …«
    »Ach, du hast recht. Das ist mir ganz entfallen. Dann bleibe ich für die Nacht lieber noch da, denn es wäre wirklich eine Ungezogenheit … etwas anderes kann ich nicht tun! Am besten bleibe ich da, und ob ich einen Tag mehr oder weniger versäume, darauf kommt es schließlich auch nicht mehr an.«
    Bálint blickte seinen Vetter scharf an. Er bereute schon, ihm zum Bleiben Grund gegeben zu haben, und er spürte klar, dass der Vorwand László sehr willkommen war. In Wirklichkeit lag die Ursache anderswo, ganz anderswo. Er wusste es wohl. Und jetzt, als er Lászlós qualvoll gespannte Züge sah, empfand er zum ersten Mal Besorgnis um den jungen Verwandten. Besorgnis wegen der immer offenkundigeren Leidenschaft, die Bálint bisher bloß für einen flüchtigen Flirt zwischen Cousin und Cousine gehalten hatte und deren Heftigkeit er erst jetzt, am Abend des dritten Tags, erkannte. Das Gefühl durchzuckte ihn jäh und instinktiv, dass diese Geschichte für László fatal werden könnte; wie das Scheinwerferlicht nachts die einzelnen Gegenstände streift, so sah er während der Dauer eines Augenblicks die unzähligen Hindernisse, die der Erfüllung im Wege stehen würden. Ob das Mädchen seine Liebe wohl erwidert? Und selbst wenn es so sein sollte, wäre sie stark und standhaft genug? Doch dies alles huschte ihm bloß durch den Sinn und entschwand gleich.
    »Wir reisen also morgen zusammen?«, fragte er, im Ton etwas bestimmter.
    »Natürlich, wir sind zusammen gekommen, wir reisen zusammen ab«, antwortete László, der, als wollte er das Gesagte beteuern, ihm den Blick zuwandte. Dann suchte er Frau Berédy auf, beugte sich über ihren Lehnstuhl und besprach mit ihr das Abendprogramm.

    Der lange Bösendorfer stand am Ende des Saals. Die schöne Frau Berédy lehnte sich in leichter Rücklage an das Instrument. Sie wusste, dass ihre geschmeidige Gestalt auf diese Art schön zur Geltung kam und dass ihr lachsrosa Kleid zum Nussbaumholz des Flügels gut passte, ebenso wie ihr wie Honig glänzendes Haar zum Saal, dessen matt apfelgrüne Wandflächen von elfenbeinfarbenem und taubengrauem Tafelwerk in doppeltem Rahmen unterteilt waren. Alles wies hier die gleiche matte Tönung auf: die strengen Möbel an der Wand ebenso wie das Parkett aus Kirschholz. Kräftige Farben drängten sich nur auf dem Leistenkranz vor, der unter der Decke rund um den Saal dunkelblau und golden verlief. Kerzen brannten auf dem Flügel in zwei niedrigen, dreiarmigen Kandelabern, denn man hatte bei der Einführung des elektrischen Stroms vergessen, in der Nähe des Klaviers eine Steckdose einzufügen.
    László saß hinter den

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