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Die Schrift in Flammen

Titel: Die Schrift in Flammen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Miklós Bánffy
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Sonne in der einen Ecke schien die übrige Bibliothek beinahe in Dunkel getaucht. Das Licht verteilte sich einzig auf der Seite der Vorhalle über die bauchig ausladenden Kehren der engen Wendeltreppe, die in die obere Bibliothek führte, und es fiel auf die Regale gegenüber den Fenstern.
    László hielt den klaren Morgen für ein gutes Omen. Er wartete schon seit einer Viertelstunde, als Szabó, der Butler, hereintrat und in seinem zeremoniellen Ton das Folgende meldete: »Ihre Durchlaucht, die gnädige Fürstin, lässt den gnädigen Herrn Grafen bitten, Sie möchten geruhen, sich nach oben zu ihr zu begeben. Sie erwartet Euer Gnaden in ihrem Schlafzimmer.« Dann grüßte er, wandte sich um, ging davon und strahlte eine Autorität aus, als wäre er der vornehmste englische Lord.
    Was kann das sein?, fragte sich László. Tante Ágnes bestellt mich zu sich? Warum? Was habe ich getan? Aus seiner Kinderzeit kannte auch er das Tadel-Kanapee, vor welches die Tante jene zu zitieren pflegte, die sie maßregeln wollte. Folglich eilte er etwas bang die innere Wendeltreppe hinauf, den oberen Korridor entlang und dann durch die Tür, die über dem Roten Saal lag, in den Kleinen Salon, den Vorraum des Schlafzimmers.
    Erleichtert gewahrte er indessen beim Eintreten, dass seine Tante ihn nicht auf dem Rechenschafts-Möbelstück, sondern in einem Lehnstuhl beim Toilettentisch erwartete. »Komm, komm, lieber Laci«, empfing ihn die Fürstin. »Du bist schon den fünften Tag bei uns, und ich bin noch gar nicht dazu gekommen, mich mit dir zu unterhalten.«
    Sie streichelte das Haar des jungen Mannes, der sich über ihre Hand beugte, küsste ihn auf die Stirn, und dazu lächelte sie ihm liebenswürdig zu.
    Dabei war sie besorgt, doch das sah man ihr nicht an. Verdacht war in ihr am vorangegangenen Abend erwacht, warum sich Klára über Montorios Werbung nicht freute. Warum sie nicht zugelassen hatte, dass er während der Jagdtage um ihre Hand anhielt. Der Principe hatte doch nur auf ein Wort des Mädchens gewartet, und die Sache wäre in Ordnung gegangen. Es traf wohl zu, dass sich Klára gehorsam mit ihrem Verehrer abgab, aber das tat sie offensichtlich nur auf Befehl ihrer Stiefmutter, und sie ging einer Erklärung aus dem Weg. Und das lag einzig an ihr. Ja, einzig und allein. Warum dieses Benehmen? Eine Laune war das nicht, Klára ist nicht launisch. Folglich muss es einen anderen Grund geben, und der kann hier ein einziger sein: Elle a un béguin, dachte Fürstin Ágnes mit dem unübersetzbaren französischen Wort, das einen rasch vorübergehenden und ein bisschen närrischen Wunsch, einen Schwarm bezeichnet. Ja, das allein konnte es sein, ein »béguin«.
    Sie entsann sich, dass Klára am ersten Tag während zwei langer Treiben mit László zusammengesessen war. Hernach folgte, dass Klára und László, nachdem man Papa Louis hinausbegleitet hatte, etwas später zurückkehrten als Péter und Magda. Und dann das endlose Klavierspiel gestern Abend! Ihr schien, sie habe danach im Gesicht des Mädchens einen ungewohnten Ausdruck entdeckt, irgendeinen nach innen gewandten, träumerischen Zug, eine Rührung. Das ist ungut. Auch das viele Musizieren ist ungut. Ungut, dass die jungen Leute jetzt ohne die Gästeschar fortwährend zusammen sind. Nein, das alles ist ungut. Zwar war es nicht mehr als ein leiser Verdacht, sie beschloss aber, der Sache ein Ende zu machen. Sie hatte den Neffen deshalb bestellt. Deshalb unterhielt sie sich mit ihm, wiewohl sie das Gespräch sehr liebenswürdig führte.
    »Von Péter habe ich vernommen, welch große Dinge du dir vorgenommen hast, wie fleißig du studierst. Er begrüßt dein Unterfangen sehr, er hat dafür volles Verständnis.«
    »Wozu soll ein jeder Politiker werden?«, fuhr sie fort. »Es ist richtig, wenn man sich vom eigenen Talent führen lässt. Bestimmt wirst du Großes vollbringen. Du bist ja so begabt, mein Sohn! Trotzdem, es ist nicht schön von dir, dass du nach deiner Rückkehr von Siebenbürgen kein Lebenszeichen gegeben, nicht geschrieben, dich nicht gemeldet hast, wo mir doch ist, als wäre ich deine Mutter. Nicht wahr? Ich hielt es mit dir schon immer so. Deine Geheimnistuerei hat mich darum ein wenig gekränkt … Nun, halb so schlimm! Ich habe mich sehr gefreut, dass du uns hast besuchen können« – »hast können«, sie sagte es so, in Vergangenheitsform.
    Ein Gefühl der Dankbarkeit überflutete László. Wie lieb sie war, wie gut sie es mit ihm meinte! Die wohltuenden

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