Die Schrift in Flammen
Worte erfüllten seine nach Zuneigung hungernde Seele mit Freude. Er bat um Verzeihung wegen der Versäumnis und küsste ihr mit ergebener Anhänglichkeit erneut die Hand. Dann begann er mit überströmendem Vertrauen über seine Pläne zu erzählen, über die Anerkennung, die seine Arbeit bei den Hochschullehrern fand, und er geriet, wie stets, wenn er von Musik sprach, ganz ins Feuer. Begeistert setzte er seine Vorstellungen von neuer Musik, von neuen Harmonien auseinander.
Tante Ágnes hörte ihm aufmerksam, mit ermunterndem Lächeln zu. Sie unterbrach ihn nur hie und da: »Das verstehe ich nicht, das ist nicht mehr mein Feld.« Oder: »Ja, das wäre sehr interessant.«
Schließlich, nachdem László in seiner Rede innegehalten hatte, kam sie zu Wort: »Es gefällt mir, dass du so mit Herz und Seele bei der Sache bist. Und du wirst, nicht wahr, wenn du zurückkommst, auch für mich spielen?«
»Wenn du zurückkommst?!« – der eingefügte Nebensatz machte den Jüngling hellhörig. Was war das? Er hatte ja gedacht, dass er noch dableiben würde. Er wollte antworten, dass er gern spielen werde, noch heute, noch am Nachmittag, doch seine Tante wartete die Antwort nicht ab.
»Da du mit dem Mittagszug zurückreist, wird die Zeit dazu heute leider nicht mehr reichen. Aber ich habe für dich eine Kalesche hinbestellt, damit du bequem fahren kannst.«
Fürstin Ágnes lächelte noch immer, doch ein strenger Befehl lag in ihren Augen. László überlief es kalt. In seiner Benommenheit fand er vorerst keine Worte, er stammelte bloß: »Ja, mit dem Mittagsschnellzug … vorher kaum mehr …«
Die Frau kehrte sogleich zum Ton zurück, in dem sie ihn vorhin bemuttert hatte. Herzhaft, warm sprach sie zu ihm, als wollte sie Balsam in die soeben geschlagene Wunde träufeln. Nichts verriet, wie genau sie die Miene und jede Regung des jungen Mannes verfolgte. Ist er wohl in Klára verliebt? Macht er ihr insgeheim den Hof? Das Gesicht des Jünglings gab aber nichts preis. Als ein Waisenkind, stets unter Fremden, hatte er gelernt, auf sein Mienenspiel achtzugeben. Er setzte die Unterhaltung noch einige Minuten in ganz natürlichem Ton fort, und dann nahm er Abschied.
»Ich muss noch packen«, sagte er und grüßte ergeben.
Er nahm den Weg zur Bibliothekstür, wo er hergekommen war. Er schlug unbewusst diese Richtung ein, obwohl er den Zugang zur Haupttreppe auch unmittelbar hätte nehmen können. Leute, die ein Schlag am Kopf getroffen hat, pflegen den einmal schon zurückgelegten Weg auf solche Art zu gehen, weil sich nur noch ihre Beine erinnern, nicht das Hirn. Lautlos schloss er die Tür des Kleinen Salons hinter sich, ganz langsam, in vollkommener Selbstbeherrschung. »Man weist mir die Tür! Weist mir die Tür! Weist mir einfach die Tür!« Diese Worte pochten in ihm. »Man hat mir die Tür gewiesen!«
László fand sich in der Bibliothek wieder, in dem nach oben verschobenen Schatten des rundherum verlaufenden Laufstegs. Er blieb stehen. Oben auf der Wendeltreppe, ihm gegenüber, stützte sich Klára an das Geländer.
»Guten Morgen«, sagte sie und näherte sich langsam, mit ihren flachen Schritten. Sie gaben sich die Hand.
»Ich mag es auch gern, von hier oben hinunterzublicken. Alles ist so anders. Schau, wie es von da so schön ist!«
László stützte die Ellbogen auf den glatten Holzlauf. Klára stellte sich neben ihn – eng, ganz eng. Ihre Schultern berührten sich.
»Interessant, wie die Sonne hereinscheint, sie erhellt den Raum nur dort unten. Ganz merkwürdig«, setzte sie ihre Rede fort. Dann ließ sie eine Pause folgen. Eine Weile standen sie stumm da.
Ich müsste sie umarmen. Sie küssen! Einen Kuss zumindest, wenn man mir schon die Tür weist, dachte László. Doch das Mädchen richtete sich auf, bevor er sich entschlossen hätte, und ging ein paar Schritte weiter. Dann blieb sie wieder stehen. Sie wandte sich den Bücherregalen zu, und sie lehnte sich, die Hände auf dem Rücken, am Geländer leicht zurück.
»Das sind alles französische Romane vom Ende des 18. Jahrhunderts. Lauter minderwertiges, ungebackenes Zeug, doch schau, wie schön sie gebunden sind.«
Für einige Sekunden standen sie abermals nebeneinander. Wenn sie mich jetzt ansehen würde! Wenn sie so auf mich blicken würde wie gestern beim Fenster! Wenn ich wüsste, dass ich sie nicht erzürne, gerade jetzt, da man mir die Tür weist – ich täte es! Doch Klára führte ihn wieder weiter. Sie schritt um das obere Ende der
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