Die Schuld der Väter (Detective Dave Robicheaux) (German Edition)
genommen hatte.
»Die Leute sagen, Sie glauben nicht, dass Bobby Hulin Amanda umgebracht hat«, sagte die Mutter.
Ich versuchte ihren und den Blick ihres Mannes zu erwidern, brachte es aber nicht fertig.
»Ich glaube, ich bin mir nicht ganz sicher, was da draußen passiert ist«, sagte ich.
»Heut Morgen haben wir Blumen zu der Stelle gebracht, wo Amanda gestorben ist. Ihr Blut ist immer noch im Gras. Sie können gern mit mir rausgehn und sich das Blut unserer Tochter anschaun, dann sehen Sie vielleicht, was passiert ist«, sagte der Vater.
»Rufen Sie mich an, wenn diese Calucci Sie noch einmal behelligt«, sagte ich.
»Wozu?«, sagte die Mutter.
»Wie bitte?«, sagte ich.
»›Wozu?‹, hab ich gesagt. Ich glaube nicht, dass Sie auf unserer Seite stehen, Mr. Robicheaux. Ich hab den Mann, der unsere Tochter umgebracht hat, heut Morgen im Lebensmittelladen gesehen, wo er sich Kaffee, Donuts und Orangensaft gekauft und mit der Kassiererin geschäkert hat. Der Mann, der sie mit einem Springseil gefesselt und mit einer Schrotflinte umgebracht hat. Und jetzt heißt es, Amanda wär seine Freundin gewesen. Meiner Meinung nach solltet ihr euch alle was schämen, und Sie am allermeisten«, sagte sie.
Ich schaute aus dem Fenster meines Büros, bis sie und ihr Mann weg waren.
An diesem Abend fuhr ich nach der Arbeit gen Süden und überquerte die Brücke, die über die Süßwasserbucht nach Poinciana Island führte. Als ich der Straße folgte, die sich zwischen Hügelkuppen, Zypressen, Tupelobäumen und immergrünen Eichen hindurchschlängelte, die fast zwei Jahrhunderte alt waren, wurde mir der ganze Zauber bewusst, der die LaSalles vermutlich über viele Generationen hatte zusammenhalten lassen, damit sie sich ihren Traum bewahren konnten. Die Insel kam dem Garten Eden so nah, wie das auf Erden nur möglich war. Rote und lila Wolken riffelten sich am Abendhimmel. Zwischen den Bäumen sah ich Rotwild, und draußen in der Bucht sprangen Fliegende Fische, die in der untergehenden Sonne scharlachrot und bronzefarben schillerten. Die Flechten an den Eichen, das träge wogende Laubdach, die Pfützen, die in seinem Schatten standen, die Pilze, die dort auf einer dicken Schicht aus schwarzem Laub und Pekanschalen wuchsen – all das vermittelte einem den Eindruck, man wäre auf einer einsamen, von wilder Vegetation überwucherten Insel, die unberührt war vom Motorenlärm, dem Benzin- und Dieselgestank oder der Hitze, die von den Straßen der Städte aufstieg. Im Grunde genommen wirkte Poinciana Island, als wäre es nie im zwanzigsten Jahrhundert angekommen.
Wenn mir dieses Stück Land gehören würde, würde ich es dann wieder hergeben wollen? Wäre ich nicht auch versucht, mit Sklaven zu handeln, dem Fürst der Finsternis ab und zu seinen Willen zu lassen, wenn es um geschäftliche Angelegenheiten ginge?
Mit solchen Gedanken wollte ich mich lieber nicht beschäftigen.
Perry wohnte in einem einstöckigen Haus aus matt geflammten Ziegelsteinen, die man beim Abriss alter, aus der Zeit vor dem Bürgerkrieg stammender Villen in South Carolina gerettet hatte. Die Königspalmen, die über dem Haus aufragten, waren per Schiff von Key West hierher transportiert worden, die riesigen Wurzelstöcke mit Segeltuchplanen umwickelt, die ständig eimerweise mit Wasser begossen werden mussten. In dem Weiher dahinter, in den ein Bootssteg mit einer daran vertäuten Pirogge ragte (Motorboote waren auf der Insel nicht erlaubt), waren vor vielen Jahren junge Brassen eingesetzt worden, von denen manche mittlerweile zu stattlichen Fünfzehnpfündern herangewachsen waren, deren dunkelgrüne, breite Rücken wie mit Moos bewachsene Holzblöcke wirkten, wenn sie zwischen den Seerosenfeldern durch das Wasser pflügten.
Und dort, auf einer schmiedeeisernen Bank am Ufer, sah ich Perry sitzen, der gerade mit weitem Schwung die Angel in das nahezu unbewegte, nur leicht gekräuselte Gewässer auswarf.
Aber er war in Gedanken versunken, als ich auf ihn zuging, und allem Anschein nach waren es keine angenehmen.
»Haben Sie Glück?«, fragte ich.
»Oh, Dave, wie geht’s Ihnen? Nein, heute Abend tut sich nicht viel.«
»Probieren Sie’s mal mit einer Telefonkurbel. Das funktioniert immer«, sagte ich.
Er lächelte über meinen Scherz.
»Amanda Boudreaus Eltern haben mich heute aufgesucht«, sagte ich. »Das war alles andere als angenehm. Zerelda Calucci war bei ihnen zu Hause und hat ihnen den Eindruck vermittelt, sie wäre eine
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