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Die Schuld der Väter (Detective Dave Robicheaux) (German Edition)

Die Schuld der Väter (Detective Dave Robicheaux) (German Edition)

Titel: Die Schuld der Väter (Detective Dave Robicheaux) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Lee Burke
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Oates, dem Bibelvertreter, über den Computer des National Crime Information Center laufen.
    Doch der Auszug, den ich bekam, enthielt nichts Überraschendes. Von der Festnahme wegen eines geplatzten Schecks einmal abgesehen, lag nichts Ernsteres gegen ihn vor als ein kleiner Diebstahl und Nichterscheinen vor Gericht. Außerdem war er in New Orleans einmal wegen öffentlichen Bettelns aufgegriffen worden und ein andermal, weil er in einem Obdachlosenasyl in Los Angeles einen Aufruhr verursacht hatte.
    »Kennst du einen gewissen Marvin Oates?«, fragte ich Helen.
    Sie hatte die Hände in die hinteren Hosentaschen geschoben und blickte aus dem Fenster meines Büros.
    »War seine Mutter ’ne Säuferin, die sich mal hier, mal dort rumgetrieben hat?«, fragte sie.
    »Ich bin mir nicht sicher.«
    »Sie stammte aus Alabama oder Mississippi. Die haben früher unten bei den Bahngleisen gewohnt. Was ist mit ihm?«
    »Er wollte bei mir daheim hausieren gehen. Mir hat die Art und Weise nicht gefallen, wie er Alafair angeschaut hat.«
    »Gewöhn dich dran.«
    »Wie bitte?«
    »Du hast eine schöne Tochter. Was erwartest du denn?«
    Sie lachte leise vor sich hin, als sie mein Büro verließ.
    Ich wartete fünf Minuten, dann ging ich den Flur entlang zu ihrem Zimmer.
    »Hast du schon mal was von einem Aufseher auf Poinciana Island gehört, der Legion heißt?«, fragte ich.
    »Nein. Wer ist das?«, erwiderte sie.
    »Dieser Oates sagt, ›Legion‹ ist der Name eines Dämons im Neuen Testament. Oates glaubt, dass Farbige vom verschollenen Stamm des Harn abstammen. Meinst du, Oates ist vielleicht auf irgendeine Art nicht ganz normal?«
    Sie wischte sich mit einem Kleenex die Nase ab und widmete sich wieder der Akte, die offen auf ihrem Schreibtisch lag.
    »Fahr mit mir runter nach Baldwin«, sagte ich.
    »Wozu?«
    »Ich möchte mir dort jemanden vornehmen, den ich aus meiner Kindheit kenne.«
    Wir fuhren auf der Vierspurigen nach Süden, durch die Zuckerrohrfelder, die aus dem Schwemmland des Bayou Teche entstanden waren. Der Himmel war mit Wolken verhangen, die wie hell schimmernde Rohseide oder Dampf wirkten, aber keinen Regen spendeten, und ich sah die Risse in dem ausgedörrten Erdreich zwischen den Zuckerrohrstangen, die Staubhexen, die über die Straße tanzten und sich auf dem Asphalt auflösten. Die Luft roch nach Salz und dem brenzligen Gas, das die Straßenbahn erzeugt, wenn der Stromabnehmer Funken schlägt. Weit vor uns ragten die grauen Umrisse einer aufgelassenen Zuckermühle auf.
    Wenn man in seiner Jugend zutiefst verletzt oder gedemütigt wird, wenn einem das Gefühl vermittelt wird, man sei nichts wert, bekommt man später nur selten die Gelegenheit, seine Peiniger auf Augenhöhe zur Rede zu stellen und ihnen zu zeigen, was für Feiglinge sie im Grunde sind. Deshalb flüchtet man sich oft in seine Fantasie, denkt sich Geschichten aus, in denen sie an all ihren Missetaten, den Ängsten, aus denen ihre Grausamkeit erwächst, der Selbstverachtung, die sie dazu treibt, Wehrlosen wehzutun, zugrunde gehen, sodass sie einem nur noch bemitleidenswert vorkommen und man sie schließlich aus seinem Leben verbannen kann.
    Aber manchmal lässt sich das Verhängnis, dem sie anheim fallen sollten, nicht so einfach herbeiführen.
    Helen fuhr von der Straße ab und hielt vor einem kleinen Lebensmittelladen, hinter dem etliche Hütten standen. In der Ferne zeichneten sich die blechernen Umrisse der Zuckermühle am Himmel ab. Ein grob zusammengezimmertes Vordach spannte sich über die eine Seitenwand des Lebensmittelladens, und darunter saß ein schmächtiger, schwarzhaariger Mann, der eine blutverschmierte Metzgerschürze trug und über einem Kessel aus rostfreiem Stahl, der auf einem am blanken Boden stehenden Butangaskocher vor sich hin brodelte, Kartoffeln und Zwiebeln schälte. Auf einem hölzernen Arbeitstisch neben ihm lag ein knisternder Jutesack voller lebender Flusskrebse.
    Ich klappte meine Dienstmarke auf. »Ich suche einen gewissen Legion«, sagte ich.
    »Legion Guidry?«, sagte der Mann. Er warf die geschälten Kartoffeln und Zwiebeln in den Kessel und kippte eine Schüssel voll Artischocken und gelber Maiskörner darüber.
    »Ich weiß nur, dass er Legion heißt«, sagte ich.
    »Hier kommt der nicht her«, sagte der Mann.
    »Wo wohnt er?«, fragte ich.
    Der Mann schüttelte den Kopf, ohne mir eine Antwort zu geben. Er kehrte mir den Rücken zu und schnitt einen Karton mit Gewürzen auf.
    »Sir, ich habe Sie etwas

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