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Die Schuld des Tages an die Nacht

Titel: Die Schuld des Tages an die Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Yasmina Khadra
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Tür. Es war Krimo, Simons ehemaliger Chauffeur. Er stand breitbeinig auf dem Gehweg, die Hände in die Hüften gestemmt, das Gewehr unter der Achsel. In seinem Gesicht ein Ausdruck gehässigen Triumphs. Sechs bewaffnete Männer, seine Hilfskräfte, umringten auf der Straße eine Schubkarre, auf der eine blutüberströmte Leiche lag. Laoufi. Ich erkannte ihn an seinen grotesken Stiefeln und dem zerfetzten Rucksack auf der Brust.
    »Ein Fellaga«, sagte Krimo. »Ein beschissener, stinkender Fellaga … Sein Geruch hat ihn verraten.«
    Er tat einen Schritt auf mich zu.
    »Ich habe mich gefragt, was er in meinem Dorf zu suchen hatte, dieser Fellaga? Bei wem er wohl war? Von wem er wohl kam?«
    Sie schoben den Schubkarren zu mir heran. Der Kopf des Krankenpflegers hing über dem Rad, ein Teil seines Schädels war weggerissen. Krimo packte den Rucksack und warf ihn mir vor die Füße: Die Medikamente verteilten sich über den Gehweg.
    »Es gibt nur eine Apotheke in Río, Jonas, und das ist deine. Da war mir alles klar.«
    Und zur Bekräftigung knallte er mir mit voller Wucht den Gewehrkolben aufs Kinn. Ich spürte, wie mein Gesicht in tausend Stücke zersprang, und kippte, während Germaine laut aufschrie, in ein finsteres Nichts.
    Mansperrte mich in ein ekelhaftes Kellerloch voller Ratten und Kakerlaken. Krimo wollte wissen, wer »der Fellaga« sei und seit wann ich ihn mit pharmazeutischen Produkten versorgte. Ich antwortete, dass ich ihn nicht kannte. Er tauchte meinen Kopf in ein Becken mit Spülwasser und schlug mich mit einer geflochtenen Riemenpeitsche, aber ich wiederholte hartnäckig, »der Fellaga« sei niemals bei mir gewesen. Krimo tobte, spuckte mir ins Gesicht, boxte mich in die Weichteile. Er bekam nichts aus mir heraus und überließ mich einem alten hageren Mann mit langem grauen Gesicht und stechendem Blick. Letzterer erklärte mir, er verstünde mich gut, im Dorf wären alle der Meinung, ich hätte nichts mit den »Terroristen« zu tun, man hätte mich zur Kollaboration gezwungen. Ich leugnete weiterhin alles ab. Ein Verhör jagte das nächste, bald voller Fangfragen, bald schmerzlich handfest. Krimo wartete die Dunkelheit ab, bis er wieder auftauchte, um mich zu foltern. Ich hielt durch.
    Am nächsten Morgen stand Pépé Rucillio in der Tür.
    In seiner Begleitung ein Offizier in Kampfuniform.
    »Wir sind noch nicht fertig mit ihm, Monsieur Rucillio.«
    »Sie verschwenden Ihre Zeit, Leutnant. Es handelt sich um ein bedauerliches Missverständnis. Dieser Junge ist das Opfer unglücklicher Umstände. Ihr Oberst ist auch davon überzeugt. Sie können sich doch denken, dass ich niemals jemanden protegieren würde, der gegen das Gesetz verstößt.«
    »Das Problem liegt woanders.«
    »Es gibt kein Problem, und es wird auch keines geben«, versprach ihm der Patriarch.
    Man gab mir meine Kleider zurück.
    Allem Anschein nach war das ein Militärquartier; draußen im Hof sahen Krimo und seine Männer murrend und tiefgekränkt zu, wie ich ihnen durch die Lappen ging. Ihnen war klar, dass der allseits verehrte Patriarch von Río Salado sich bei der höchsten Militärbehörde des Sektors für mich verwendet hatte und als Garant meiner Unschuld eingetreten war.
    Pépé Rucillio half mir in seinen dicken Citroën und fuhr los.
    Ergrüßte den wachhabenden Soldaten beim Verlassen des Geländes und steuerte die robuste Limousine in Richtung Piste.
    »Ich hoffe, ich bin nicht dabei, die größte Dummheit meines Lebens zu begehen«, bemerkte er.
    Ich antwortete nicht. Meine Lippen waren aufgeplatzt und meine Augen so geschwollen, dass ich Mühe hatte, sie offen zu halten.
    Pépé fügte dem nichts hinzu. Ich fühlte, wie er mit sich haderte, weil er sich für meine Freilassung eingesetzt hatte, ohne dem Obersten stichhaltige Argumente für meine Unschuld liefern zu können. Pépé Rucillio war mehr als ein hochangesehener Bürger; er war eine Legende, eine moralische Autorität, seine Aura war so groß wie sein Vermögen. Zugleich war Pépé Rucillio so fragil wie eine Porzellanstatue, wie alle bedeutenden Persönlichkeiten, die ihre Ehre höher schätzen als alles andere. Ein Wink von ihm genügte, um andere springen zu lassen; seine Glaubwürdigkeit entsprach der eines offiziellen Dokuments. Bei Leuten seines Kalibers, deren Name allein genügte, um die Gemüter zu besänftigen und die stürmischsten Diskussionen zu beenden, durfte man mit großzügigen Geschenken, mitunter regelrechten Verrücktheiten rechnen, man

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