Die Schuld einer Mutter
gearbeitet, in der Galerie neben dem Kino.« Ich nickte wieder. »Was tut man nicht alles, um das Geld für die Schulgebühren zusammenzubekommen!«, schob sie hinterher.
Das war absoluter Unsinn, wussten doch alle, dass Alexas Schwiegermutter für die Schulgebühren der Kinder aufkam, schließlich erzählte diese Schwiegermutter es überall herum. Dorothy Willard, Adams Mutter, war eine jener lauten, unangenehmen Damen, die ehrenamtlich einige Vormittage pro Woche in der Kleiderkammer aushalfen und jeden, der es hören wollte, mit Ausführungen zu ihren hochbegabten Enkeln langweilte und wie ausgezeichnet ihnen die erstklassige Privatschule bekomme, die sie und ihr Mann bezahlten. »Tja, was tut man nicht alles für den lieben Nachwuchs«, sagte sie, wenn ich einen kaum getragenen Wintermantel auf den Tresen legte oder einen Stapel Liebesromane von Mills & Boon, die meine Mutter so gern liest. Lächelnd sagte ich: »Sie müssen sehr stolz sein«, und sie antwortete in gespielter Bescheidenheit: »Nun ja, ich möchte ja nicht prahlen, aber …«
Ich war überzeugt, dass Alexa nur arbeitete, um sich die Zeit zu vertreiben und aus dem Haus zu kommen; sie traute sich aber nicht, einer wie mir von diesem Luxusproblem zu erzählen – jener Art von Frau, die arbeitet, weil sie es muss und so weiter. Ich nahm es ihr nicht übel. Das wäre sinnlos gewesen. Im Lake District hat es für Frauen immer schon zwei extrem unterschiedliche Lebensmodelle gegeben: Die einen arbeiten nie, die anderen arbeiten nie genug.
»Wie viele Tage arbeitest du denn in der Galerie, Alexa?«, fragte ich, weil mir nichts Besseres zu sagen einfiel.
»Ach, nur zwei oder drei Vormittage pro Woche. Ich lege mir die Arbeitszeit um meinen Master herum.«
»Um was?«
»Meinen Master«, wiederholte sie. »Ich mache einen Abschluss in Kulturwissenschaften.«
»Klingt … anspruchsvoll«, sagte ich.
»Das ist es auch. Und es nimmt weit mehr Zeit in Anspruch als ursprünglich gedacht. Adam beschwert sich ständig darüber, dass er mich wieder einmal an die Uni verloren hat.«
Ich bemerkte, dass Kate Alexas Studienpläne nicht weiter kommentierte, und weil ich meinte, den Grund dafür zu kennen, sagte ich nichts.
Alexa liebt es zu studieren, genau wie sie es liebt, einer albernen, sinnlosen Beschäftigung nachzugehen, um den Tag herumzubringen. Ich habe keine Ahnung, was man mit einem Abschluss in Kulturwissenschaften anfängt, aber ich kann mir denken, wozu sie ihn braucht. Sie möchte, dass kleine Leute wie ich denken: Wow, du bist nicht nur unglaublich schön, sondern auch unglaublich gebildet! Wie ist das nur möglich?
Alexa ist weiß Gott nicht die einzige attraktive Frau mit dieser Störung, die ich kenne. Am liebsten möchte ich zu ihnen sagen: »Hört auf. Bitte hört einfach auf damit. Ihr habt doch alles, was ihr braucht. Ihr seid schön , ihr habt doch längst den Freifahrtschein fürs Leben. Das reicht doch.«
»Bekommst du diesmal einen Doktortitel, Lex?«, fragte Kate.
»Nein«, antwortete sie. »Du liebe Güte, nun stell dir das einmal vor. Zwei Doktoren in einem Haushalt!«, und wie auf Kommando kamen die Männer herein. Sie hielten Bierflaschen in der Hand und waren auf der Suche nach etwas Essbarem.
Alexas Mann Adam – Dr. Willard – war ähnlich leger gekleidet wie Guy. Als er den Raum betrat, fühlte ich mich erneut klein und unscheinbar.
Kate sagte: »Lisa, hast du Adam schon kennengelernt? Nein? Also, Lisa, das ist Adam. Adam: Lisa.«
Ich nickte ihm höflich zu, und er lächelte in meine Richtung. Er sah aus wie ein guter Mensch. Nicht unbedingt gut aussehend, aber sanft auf eine sehr attraktive Art und Weise. »Hi«, sagte er. »Schön, dich kennenzulernen. Du bist die Dame vom Tierheim, richtig?«
»Genau.«
»Das ist sicher nicht einfach, da bekommst du es bestimmt oft mit unangenehmen Zeitgenossen zu tun?«
Ich wollte ihm gerade ein paar Anekdoten erzählen, aber noch bevor ich Luft holen konnte, ging Alexa dazwischen: »Ja, manchmal ist es einfach schlimm. Du kannst dir nicht vorstellen, wie die Leute sich in der Galerie manchmal aufführen. Und seit wann glauben eigentlich alle, sie könnten die Preise runterhandeln? Daran ist nur das Fernsehen schuld! Vorbei sind die Zeiten, als die Leute bereit waren, einen fairen Preis zu zahlen!«
Adam ignorierte sie und hielt Blickkontakt mit mir. »Was war bislang dein größtes Problem?«
»Das Geld«, sagte ich. »Na ja, wohl eher der Geldmangel. Manchmal fallen
Weitere Kostenlose Bücher