Die Schuld einer Mutter
sollen. Im Rückblick weiß ich, das wäre das Richtige gewesen. Aber ich stand nicht auf. Ich blieb sitzen und trank weiter. Und als Alexa eine Dreiviertelstunde später zurückkam, hatten wir sie und Kate schon fast vergessen. Joe war, ich hatte es schon geahnt, auf einem wunderhübschen, mit gestreiftem Stoff bezogenen Sessel eingedöst, und ich schäkerte mit den beiden Männern herum.
Ich hatte meine Schuhe ausgezogen und tanzte auf Strümpfen zur Musik von MTV, ich hielt mein Weinglas in der Hand und lachte und plapperte. Alexa blieb in der Tür stehen und sagte: »Gleich rutscht dir das Kleid runter, Lisa. Du solltest dich setzen«, woraufhin ich albern kicherte. Was keine gute Idee war, denn auf einmal wurde sie sehr wütend. Das war verständlich, aber ich hatte es einfach zu komisch gefunden, dass sie mich erziehen wollte.
Erbost schrie sie mich an: »Du führst dich auf wie ein Flittchen, Lisa! Hinsetzen!«
Ich erstarrte.
Dann drehte sie sich zu ihrem Mann um. »Adam, wir gehen. Hol deinen Mantel runter, und ruf ein Taxi. Kate geht es schon besser, vielen Dank der Nachfrage!«
Guy kam ihr mit offenen Armen entgegen. »Ach, Alexa, nun sei nicht so«, grölte er. »Wir haben uns prächtig amüsiert.« Er wollte sie umarmen, aber sie stieß ihn weg und marschierte los, um ihre Handtasche zu holen.
Ich ging rückwärts aus dem Zimmer und sagte: »Entschuldigt, ich muss mal«, und dann torkelte ich in Richtung Treppe. Ich hatte vor, mich irgendwo da oben zu verstecken, bis sie gegangen waren. Ich fühlte mich wie ein Teenager, der eine Party feiern wollte und dessen Eltern zu früh nach Hause gekommen waren.
Ich fiel mit der Tür ins Badezimmer und nestelte vergeblich am Schloss herum, bevor ich neben der Wanne auf den gekachelten Boden sank.
Das Bad war wunderschön. Überall blitzten Emaille und Chrom, Marmor und Spiegel. Ich sah mich verträumt um und wünschte mir, ich könnte mir diese Seife leisten, ganz zu schweigen von den dicken, weichen Handtüchern, die säuberlich gestapelt im eingebauten Wandregal lagen. Mein Gott, ich würde sterben für so ein Badezimmer! Das dachte ich, als der Türknauf sich langsam drehte.
Adams Kopf tauchte im Türrahmen auf, und er fragte: »Darf ich reinkommen?«
Ich riss die Augen auf. »Nein«, zischte ich und zupfte mir instinktiv das Kleid zurecht, »selbstverständlich nicht.«
»Bitte«, flehte er, »ich will nur kurz mit dir reden. Es dauert nur eine Minute.«
»Okay, aber schnell. Deine Frau wartet auf dich.«
»Guy lenkt sie mit einem Drink ab.«
Er schob sich herein und schloss die Tür. Ich spielte mit dem Gedanken aufzustehen, aber ehrlich gesagt war ich entsetzlich betrunken. Auf meine schlaffen Arme und Beine war kein Verlass mehr.
»Was ist denn?«, fragte ich.
»Ich hasse sie«, sagte er rundheraus, und ich konnte nicht anders, als loszuprusten. Ich schlug mir eine Hand vor den Mund.
»Das ist nicht lustig«, sagte er. »Ich hasse sie wirklich, verdammt!«
»Doch, es ist lustig«, kicherte ich, und dann fügte ich hinzu: »Sorry, sorry, ich hör schon auf.«
Er kniete vor mir nieder. Er war mir so nah, dass ich ihn nur verschwommen sah. Ich wiegte den Kopf vor und zurück, um das Bild scharfzustellen. »Sorry«, wiederholte ich, und dann drückte er mir ohne Vorwarnung einen Kuss auf die Lippen.
Entsetzt rief ich: »Stopp! Das geht nicht!«
»Lass mich … ach, bitte!«
»Ich bin verheiratet!«
»Ich auch.«
»Ja, aber …«
Er küsste mich noch einmal, und ich war zu schockiert, um mich zu wehren. Ich erwiderte seinen Kuss nicht, aber genauso wenig schob ich ihn weg. Ich war wie gelähmt. Gelähmt und verwirrt. Es war, als würde sich alles in einer anderen Zimmerecke abspielen. Ich hatte eigentlich nichts damit zu tun.
Dann hielt er inne und betrachtete mich.
»Ich bin wirklich sehr betrunken«, sagte ich hilflos, aber er legte mir einen Finger auf die Lippen.
»Du bist wunderschön.«
Ich wollte sagen: Nein, das bin ich nicht, das ist doch billig, aber ich sagte nichts. Es gefiel mir, diese Worte zu hören, auch wenn ich wusste, dass er es nicht ernst meinte.
Stattdessen fragte ich: »Was ist mit deiner Frau?«, aber er schüttelte nur den Kopf, als wäre seine Ehe ein hoffnungsloser Fall.
»Du hast sie erlebt, du weißt doch, wie sie ist«, sagte er. »Sie hat dich angegriffen, weil sie es nicht ertragen kann, nicht im Mittelpunkt zu stehen.«
»Sie hat mich angegriffen, weil sie mich für dumm hält. Und sie hat recht. Im
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