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Die Schuld einer Mutter

Die Schuld einer Mutter

Titel: Die Schuld einer Mutter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paula Daly
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mir nicht so nah.«
    Gekränkt kommt sie seiner Bitte nach.
    »Stimmt irgendwas nicht? Ich kann Ihnen versichern, dass der Preis für das Haus fair veranschlagt ist. Wenn Sie sich die benachbarten Anwesen ansehen, werden Sie keinen großen Unterschied …«
    Er hebt die Hand, um sie zum Schweigen zu bringen. Er schließt die Augen und holt tief Luft. »Vielen Dank«, sagt er, »aber ich habe genug gesehen«, und dann macht er sich auf den Weg zur Tür. Aber noch bevor er den Ausgang erreicht hat, sagt die Maklerin den Satz, der ihn innehalten lässt.
    »Sie können sich dieses Haus sowieso nicht leisten.«
    Er dreht sich um, versucht, den Satz zu verstehen.
    Sie redet weiter: »Sie vergeuden meine Zeit. Du lieber Himmel! Als hätte ich sonst nichts zu tun.« Sie knirscht mit den Zähnen und mustert ihn abschätzig von oben bis unten.
    Was ihm bedauerlicherweise keine Wahl lässt.
    Er geht auf sie zu, ballt die Hand zur Faust und holt aus. Das Ganze bereitet ihm überhaupt keine Freude. Gewalt anzuwenden fällt ihm nicht leicht, aber als er sie mitten ins Gesicht trifft, reißt die Wucht des Schlags sie von den Füßen, sodass sie erst einen Meter weiter zu Boden geht. Sie bleibt vor dem riesigen amerikanischen Kühlschrank liegen.
    Sie ist zu verblüfft, um irgendein Geräusch zu machen, und wahrscheinlich könnte sie es nicht einmal, wenn sie es wollte, denn ihre Nase ist ihr im Gesicht geplatzt. Ihr schiefer Mund ist jetzt voller Blut, sodass sie möglicherweise in ihren eigenen Körpersäften ertrinken wird.
    Entsetzt tastet sie ihr Gesicht ab und würgt am Blut.
    Er schüttelt den Kopf. »Sie haben den falschen Beruf gewählt«, sagt er resigniert, rammt sich die blutverschmierte Hand tief in die Jackentasche und geht hinaus.

10
    I ch werfe einen Blick auf meine Armbanduhr. Es ist erst zwanzig nach zwölf, aber ich habe das Gefühl, heute Vormittag schon fünf Leben hinter mich gebracht zu haben. Joe hat sich dem Suchtrupp angeschlossen. Die Einheimischen haben sich in drei Gruppen aufgeteilt. Eine durchkämmt die Felder zwischen der Schule und dem Haus der Rivertys. Es handelt sich um eine Fläche von mehreren Quadratmeilen, aber die Helfer benutzen die Quads, mit denen die Schäfer ihre Herden hoch oben auf den Hügeln zusammenhalten. Der zweite Suchtrupp kümmert sich um den Schulhof, die Sportplätze und die bewaldete Fläche, die sich von der Schule bis an den Strand des Lake Windermere hinunterzieht. Der letzte Trupp deckt das Areal zwischen der Schule und der Ortschaft ab. Viele Schüler laufen nach dem Unterricht zu Fuß nach Windermere und schauen bei Greggs, dem Supermarkt und der Bücherei vorbei (zumindest jene, die zu Hause kein Internet haben). Die Strecke ist gut eine Meile lang, und die Überlegung dahinter ist, dass Lucinda möglicherweise diesen Weg eingeschlagen hat, falls sie die Absicht hatte auszureißen.
    Aber ich weiß, das alles ist zwecklos.
    Lucinda ist nie im Leben ausgerissen und zu Fuß nach Windermere gelaufen. Lucinda wurde an einen unbekannten Ort verschleppt und vergewaltigt. So wie Molly Rigg.
    Ich denke an Lucinda, und meine Gedärme ziehen sich zusammen. Sie wäre niemals davongelaufen, nie hätte sie ihren Eltern das angetan. Nicht in einer Million Jahren. Sally beschwert sich oft darüber, dass Lucinda so eine Streberin ist. Manchmal ärgert es sie, dass Lucinda sich niemals einen Tadel einfängt, dass sie nie ohne Hausaufgaben in die Schule kommt und immer die Auszeichnung für die sauberste Schuluniform abräumt.
    Nie wäre Lucinda aus freien Stücken verschwunden. Nie im Leben.
    Auf einmal packen mich eine blinde Panik und das unbändige Verlangen, meine Kinder in meiner unmittelbaren Nähe zu haben. Ich renne mit klopfendem Herzen nach unten und suche hektisch nach meinen Autoschlüsseln. Ich muss meine Kinder finden und nach Hause holen. Wo sie in Sicherheit sind, wo niemand ihnen etwas antun kann. Zum Teufel mit der Schule; sie sollten jetzt zu Hause sein.
    Ich wühle in der Post, in Handschuhen und Mützen und unbezahlten Rechnungen, die auf der Kommode neben der Eingangstür liegen. Schließlich finde ich den Autoschlüssel in meiner Manteltasche, aber erst als ich hinausgestürmt bin und in der leeren Einfahrt stehe, fällt mir ein, dass mein Wagen immer noch vor Sams Schule steht. Wo Joe mich abgeholt hat. Heute Morgen.
    Für einen Moment fühle ich mich vollkommen ohnmächtig. Ich gehe wieder ins Haus und rufe meine Mutter an. Etwas Besseres fällt mir nicht

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