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Die Schuld wird nie vergehen

Die Schuld wird nie vergehen

Titel: Die Schuld wird nie vergehen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Phillip Margolin
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konnte. Seine Beute stopfte er in eine von Vanessas Segeltuchtaschen und fuhr zu einem Strand einige Meilen südlich vom Landsitz des Generals. Dort hatte er herumgehangen, als er noch Student in St. Martins gewesen war.
    Auf dem kleinen Parkplatz standen keine anderen Wagen, als Carl gegen Mitternacht dort anhielt und den Tauchanzug überstreifte. Der Strand war ebenfalls verlassen. Er schnallte sich die Segeltuchtasche auf den Rücken und schwamm an der Küste entlang. Es war anstrengend, sich durch die Brandung zu kämpfen, aber der Gedanke an Vanessa trieb ihn weiter. Außerdem wusste Carl, dass es noch weit schwieriger sein würde, in das Haus zu gelangen und Vanessa zu retten. Ganz gleich, wie oft Carl seinen Plan durchging, er klang in jeder Version wie ein Himmelfahrtskommando.
    Altwerden ist Mist, dachte Carl, als er aus der Brandung auf den Strand hinter dem steinernen Steg am Rand von Morris Wingates Grundstück trat. Er zerrte die Segeltuchtasche hinter sich her, ließ sich auf den Sand fallen und rang nach Luft. Ihm tat jeder Muskel seines Körpers weh. Fast sein ganzes Leben lang war Carl so gut in Form gewesen, dass er beinahe jede körperliche Anstrengung mit einem Minimum an Erschöpfung ertragen konnte, aber mittlerweile war er fast fünfzig und sein Körper war nicht mehr so widerstandsfähig wie früher, obwohl er immer noch hart trainierte. Außerdem hatte er sich noch nicht ganz von seinen Schussverletzungen erholt. Nur der Gedanke an Vanessa trieb ihn weiter. Er hatte sie einmal enttäuscht, als er zur Army gegangen war, und würde sie nicht noch einmal im Stich lassen.
    Als er wieder fast normal atmete, spähte Carl über den Landungssteg und betrachtete die hundert Meter hohe Klippe, welche die Grenze von Wingates Besitz markierte. Als er den alten Baum sah, der immer noch über die Klippe hinüber ragte, atmete er erleichtert auf. Sein Plan hing von diesem Baum ab. Es würde reichen, wenn er nur halb so kräftig war, wie er aussah.
    Carls Hauptproblem war der Zustand der Klippe. Die Natur nagte seit Jahrhunderten an der Felswand, die er erklettern musste. In den Spalten hatte sich Pflanzen eingenistet und lockerte den Stein. Der salzige Wind vom Meer fraß unbarmherzig an dem Fels. Dadurch bröckelte die Flanke unaufhörlich ab. Es war schon am Tage tückisch genug, Halt für Füße und Hände zu finden. In der Nacht konnte jeder Zentimeter dieses Aufstiegs eine unerfreuliche Überraschung bereithalten.
    Carl wand sich aus seinem Tauchanzug und zog Jeans, T-Shirt und Wanderschuhe an, bevor er mit dem Fernglas die Spitze der Klippe absuchte. Als er sich überzeugt hatte, dass keine Wachen darauf patrouillierten, schlang er sich die Segeltuchtasche über die Schultern. Er wollte schon über den Strand sprinten, als er über sich das Geräusch von Rotorblättern hörte. Er presste sich gegen den Steg und suchte den Himmel ab, bis er einen Lichtpunkt sah, der aus nördlicher Richtung zu Wingates Anwesen flog. Einige Augenblicke später flammten die Landelichter an Wingates Helikopterlandeplatz auf, und ein Computex-Hubschrauber schien aus den Wolken zu fallen. Der General war eingetroffen.
    Carl rechnete damit, dass die Ankunft des Hubschraubers die Wachen ablenken würde, also rannte er über den Strand zum Fuß der Klippen, blieb im Schatten stehen und lauschte. Hatte man ihn entdeckt? Als er überzeugt war, dass niemand ihn gesehen hatte, begann er den Aufstieg unmittelbar unter dem Baum.
    Obwohl seine Arme und Beine noch von dem anstrengenden Schwimmen schmerzten, seine Wunden höllisch brannten und der Wind ihn gnadenlos herum schleuderte, brachte Carl die ersten dreißig Meter problemlos hinter sich. Dann bröckelten hintereinander zwei Handhalte und ein Fußhalt, und er rutschte ein Stück die Klippe hinab. Carl stoppte seinen Sturz auf einem schmalen Vorsprung und holte seine Ausrüstung heraus. Nachdem er ein langes Stück Angelschnur an einem Pfeil befestigt hatte, legte er ihn auf die Sehne der Harpune. Vom Strand aus war der Baum hundert Meter steil nach oben entfernt. Von Carls Standort aus war er weniger als siebzig Meter weg. Das war zwar noch eine große Entfernung, aber er musste es versuchen.
    Carl zielte über die Rückseite des Baumes hinaus. Sein erster Schuss ging fehl, und er musste den Pfeil zurückholen. Den zweiten Schuss trieb der Wind von der Klippe fort. Carl wartete geduldig, bis der Wind kurz abflaute, bevor er es zum dritten Mal versuchte. Er seufzte und drückte

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