Die Schuld wird nie vergehen
ab. Diesmal beschrieb der Pfeil einen Bogen durch die Luft, flog über die Nordseite des Baumes und über den Stamm hinweg. Das Gewicht des Pfeils zog die Angelschnur über den Stamm des Baumes an der Südseite hinunter, an Carl vorbei. Er fiel fast bis auf den Strand.
Carl kletterte die Klippe hinab, während er Leine nachließ. Als er den Pfeil erreichte, nahm er ein Stück Seil aus der Segeltuchtasche und band sie mit einem Seemannsknoten an die Angelschnur direkt über dem Pfeil. Dann ließ er den Pfeil los, ging zur Nordseite des Baumes und wickelte die Angelschnur auf, bis das Seil an beiden Seiten über dem Baumstamm hinunter hing.
Nachdem er den Pfeil und die Angelschnur von dem Seil gelöst hatte, formte Carl eine Schlinge an dem einen Ende des Seils und schob das andere Ende hindurch. Damit machte er eine Schlaufe um den Baumstamm. Carl zog das Seil straff, bis es sich um den Stamm schlang und festen Halt hatte.
Dann formte er aus kürzeren Seilstücken eine Schlinge, die er um seine Brust legte, und eine Art Sitzgeschirr, das er an seiner Taille und an seinem Hintern sicherte, so dass es wie eine Windel saß. Schließlich holte er zwei weitere Stricke aus der Tasche, die etwa doppelt so lang waren wie sein Körper. Das erste Stück band er um das Tauende, das von dem Baum baumelte. Er machte einen speziellen Knoten und direkt darunter noch einen. Dieser Knoten war eine clevere Vorrichtung. Man konnte ihn an dem Seil hinauf oder hinunter schieben, wenn es keine Spannung hatte. Wurde das Tau jedoch gestrafft, spannte er sich und rutschte nicht. Carl führte den ersten Knoten unter seine Brustschlinge hindurch und befestigte ihn an seinem Sitzgeschirr. Sobald er sich in das Geschirr setzte, hielt die Spannung auf dem Knoten das Geschirr an dem Tau. Dann konnte Carl gefahrlos an dem Seil hängen. Wenn er einen Fuß in die Schlaufe des zweiten Knotens setzte, konnte er sich aufrechtstellen und die Spannung des zweiten Knotens verhinderte, dass er abrutschte, wenn er aufstand. Außerdem löste sich in dem Moment auch die Spannung des oberen Knotens, und er konnte ihn an dem Tau soweit hinaufschieben, wie seine Arme reichten. Damit hatte Carl ein einfaches System konstruiert, das ihm erlaubte, an dem Seil hinauf zu rutschen, indem er einfach aufstand und sich setzte. Er konnte mit einem minimalen Aufwand an Kraft zu dem Baum hinaufklettern, weil er im Sitzen und Stehen kurz ausruhen konnte.
Als Carl den Baum erreichte, verharrte er unter dem Rand der Klippe, ließ sich in sein Sitzgeschirr sinken und schöpfte Atem. Als er sich kräftig genug fühlte, spähte er über den Rand. Von den Wachen war nichts zu sehen. Carl zog sich über die Kante und ließ das Seil an dem Baum hängen. So konnten Vanessa und er sich schnell hinunter hangeln, falls sie fliehen mussten. Er beschmierte es allerdings vorher mit Erde, damit die Wachposten es nicht sahen.
Carl hatte den Männern, die er in Amis Haus getötet hatte, zwei Neun-Millimeter-Glock-Automatic mit Schalldämpfern, Munition und ein Kampfmesser abgenommen. Das Messer steckte bereits in der Scheide, die er sich vor dem Aufstieg umgeschnallt hatte. Nun nahm er die Pistolen aus der Tasche, die er anschließend im Unterholz ein paar Schritte von dem Baum entfernt versteckte.
Carl dachte darüber nach, was ihn erwartete. Er musste an den Wächtern und an Wingates Überwachungsanlage vorbeikommen, in das Haus einbrechen und Vanessa finden, ohne sich erwischen oder töten zu lassen. Dann musste er mit ihr entkommen, was bedeutete, Vanessa hatte keine andere Wahl, als zum Strand hinunter zu hangeln und in der aufgewühlten See die Küste entlang zu schwimmen. Wie sollte ihnen das gelingen? Es war beinahe unmöglich!
Als Vanessa diesmal das Bewusstsein wiedererlangte, stand ein Mann an der Tür und beobachtete sie. Ein anderer saß neben ihrem Bett. Im Zimmer war es dunkel, und sie schloss die Augen.
Eine warme Hand legte sich über ihre. Sie zwang sich, die Augen wieder aufzuschlagen. Das Licht ging an, und sie blinzelte.
»Gott sei Dank, du bist in Sicherheit.«
Vanessa brauchte einen Moment, bis sie begriff, dass Ihr Vater gesprochen hatte, und sie benötigte einen weiteren Herzschlag, bis sie sich erinnerte, dass sie ihn hasste. Wut pumpte Adrenalin durch ihren Körper, das die Wirkung der Betäubungsdrogen vertrieb. Sie versuchte, sich aufzusetzen.
Der General berührte ihre Schulter. »Nein, ruh dich aus. Du brauchst deine Kraft.« »Nimm deine Hände von
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