Die Schuld wird nie vergehen
vorgeführt.« »Heute?«
»Das hat er jedenfalls gesagt. Er hat gestern Abend nach Feierabend angerufen. Der telefonische Auftragsdienst hat die Nachricht aufgenommen.«
Kirkpatrick hat sich nicht die Mühe gemacht, mich zu Hause zu erreichen, dachte Ami. Dieser Mistkerl versucht, mich auszutricksen! Sie wusste nicht, wie sie so einen kurzfristigen Anhörungstermin handhaben sollte.
Ami hatte nur eine schwache Ahnung, was bei einer Anhörung vor einem Untersuchungsrichter passierte und keinen Schimmer, was sie dabei zu tun hatte. Sie nahm sich die Zettel mit ihren Nachrichten und flüchtete in ihr Büro. Die meisten Anrufe kamen von der Presse. Sie legte die Nachrichtenzettel auf ihren Stapel mit unbeantworteter Post und rief Betty Sato an. Sato war eine frühere Kommilitonin und arbeitete nun im Büro des Stellvertretenden Bezirksstaatsanwaltes von Multnomah County.
»O mein Gott!« stieß Betty hervor, als sie abnahm. »Ami Vergano, die weltberühmte Strafverteidigerin, ruft mich persönlich an. Womit verdiene ich diese Ehre?«
»Spar dir deinen Spott, Sato!«
Betty lachte.
»Du hast die Zeitungen gelesen?« fragte Ami.
»Das auch, aber Brendan Kirkpatrick hat herausgefunden, dass wir Kommilitoninnen waren und mich nach dir ausgefragt. Ich sage dir: Er ist nicht gerade dein größter Fan.«
»Das ist mein kleinstes Problem.«
»Seit wann übernimmst du eigentlich Strafsachen?« erkundigte sich Betty.
»Das ist eine lange Geschichte.« Es beunruhigte Ami ein wenig, dass Kirkpatrick sich nach ihr erkundigt hatte. »Genau deshalb rufe ich dich an. Du bist meine einzige Freundin, die etwas von Strafrecht versteht. Ich habe eben erst erfahren, dass mein Mandant heute Nachmittag vor den Untersuchungsrichter vorgeführt wird. Ich habe nicht den blassesten Schimmer, was man bei so einer Anhörung tut.«
Sato schwieg eine Weile. Als sie antwortete, klang sie wie eine Krankenschwester einer psychiatrischen Klinik, die einen widerspenstigen Patienten zur Vernunft bringen will.
»Darf ich dir einen Rat geben, Ami? Wir sind doch Freundinnen, richtig?«
»Ich weiß, dass ich bis zum Hals in Schwierigkeiten stecke, Betty. Ich habe mit einem sehr guten Strafverteidiger telefoniert, der den Fall übernehmen will. Leider kann er sich erst nächste Woche mit mir treffen. Also bleibt dieser Termin heute an mir hängen.«
»Ich bin froh, dass du jemanden gefunden hast, der diesen Fall übernimmt.« Ami hörte die Erleichterung in der Stimme ihrer Freundin. »Brendan ist echt sauer auf dich, und ich möchte nicht erleben, dass er dir weh tut.«
»Glaub mir, ich will diesen Fall so schnell wie möglich loswerden. Aber heute geht das noch nicht. Sagst du mir, was ich tun muss?«
»Okay, aber du musst mir hoch und heilig versprechen, niemandem zu verraten, dass ich dir geholfen habe. Kirkpatrick röstet mich, wenn er das herausfindet.«
»Versprochen.«
»Es ist zum Glück ziemlich einfach. Kirkpatrick wird deinem Mandanten eine Kopie der Anklageschrift geben. Du verzichtest auf die Verlesung, behältst dir aber das Recht vor, im Falle juristischer Fehler dagegen vorgehen zu können. Dann sagst du dem Richter, dass dein Mandant auf nicht schuldig plädiert, und ein Schwurgericht will. Außerdem musst du dafür sorgen, dass Brendan dir Zugang zu allen Polizeiberichten ermöglicht. Das muss er tun, wenn er Anklage erhebt.« »Was ist mit einer Kaution?«
»Es dürfte schon eine Summe festgesetzt sein, aber sie wird ziemlich hoch sein. Brendan plädiert auf versuchten Mord und Körperverletzung. Das spielt jetzt aber noch keine Rolle. Dein Mandant liegt noch eine Weile im Krankenhaus, also kann er nirgendwo hingehen. Der Strafverteidiger soll sich darum kümmern, ihn aus dem Gefängnis zu holen. Kautionsverhandlungen sind sehr kompliziert.«
»Okay. So eine Anhörung scheint recht einfach zu sein.«
»Ja, aber sie ist auch das letzte, was an diesem Fall einfach ist.«
»Ich habe doch schon gesagt, dass ich ihn abgebe. Mach mir nicht noch mehr Druck. Ich bin auch so schon gestresst genug.«
»Entschuldige. Ich mache mir nur Sorgen um dich.«
»Das weiß ich zu schätzen.« Ami dachte nach. »Was hast du Kirkpatrick von mir erzählt?«
»Dass du mit ihm schlafen würdest, wenn er die Anklage fallenlässt.«
»Und? Hat er angebissen?«
»Du wirst nicht lange genug an diesem Fall arbeiten, um es herauszufinden.«
»Ernsthaft, was hast du gesagt?«
»Die Wahrheit. Dass du klug bist und schwer arbeitest und dass ich
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