Die Schuld
Einladung aus dem Weißen Haus. Auf den Umschlag war SCHNELLE ANTWORT ERBETEN gestempelt worden. Clay und Begleitung wurden gebeten, an einem Staatsbankett zu Ehren des argentinischen Präsidenten teilzunehmen. Selbstverständlich in Abendkleidung. UA.W.G. Sofort, da das Ereignis schon in vier Tagen stattfinden würde. Erstaunlich, was man sich in Washington mit zweihundertfünfzigtausend Dollar alles kaufen konnte.
Ridley brauchte natürlich ein hübsches Kleid, und da Clay es bezahlen würde, ging er mit ihr einkaufen. Er beklagte sich nicht einmal darüber, da er gedachte, bei der Auswahl des Abendkleids ein Wörtchen mitzureden. Ohne Aufsicht hätte sie vielleicht etwas Durchsichtiges oder einen Stoffstreifen mit Schlitzen bis zum Bauchnabel gekauft, was die Argentinier und natürlich auch alle anderen Gäste sicher schockiert hätte. Dieses Risiko wollte er nicht eingehen. Er wollte das Kleid sehen, bevor er es kaufte.
Erstaunlicherweise hielt Ridley sich sehr zurück, sowohl beim Ausschnitt als auch bei den Ausgaben. An ihr sah einfach alles gut aus. Schließlich war sie Model, obwohl sie in letzter Zeit immer seltener zu arbeiten schien. Sie entschied sich für ein fantastisches, aber einfach geschnittenes rotes Kleid, das erheblich weniger Haut zeigte, als er es sonst von ihr gewohnt war. Für dreitausend Dollar war es schon fast preiswert. Schuhe, eine Perlenkette, ein goldenes, mit Brillanten besetztes Armband, und Clay konnte den Schaden auf etwas unter fünfzehntausend Dollar begrenzen.
Als sie vor dem Weißen Haus in der Limousine warteten während die Fahrzeuge vor ihnen von einer ganzen Horde Sicherheitsbeamter untersucht wurden, sagte Ridley: »Ich kann es einfach nicht fassen, dass ich jetzt hier bin. Ich, ein armes Mädchen aus Georgien, habe eine Einladung ins Weiße Haus.«
Sie schmiegte sich an Clay's rechten Arm. Seine Hand lag auf ihrem Oberschenkel. Wie immer, wenn sie nervös war, wurde ihr Akzent stärker.
»Ja, kaum zu glauben«, erwiderte Clay, der selbst etwas aufgeregt war.
Als sie unter einem Baldachin vor dem Ostflügel aus der Limousine stiegen, nahm ein Angehöriger des Marine Corps in Paradeuniform Ridleys Arm und führte sie in den East Room des Weißen Hauses, wo die Gäste sich versammelten und etwas trinken konnten. Clay folgte ihnen, wobei er Ridleys Po betrachtete und jeden Schritt ge noss. Schließlich ließ der Marine Ridleys Arm widerwillig los und ging, um eine andere Dame hereinzubegleiten. Ein Fotograf machte eine Aufnahme von ihnen.
Sie traten zur am nächsten stehenden Gruppe von Gästen und stellten sich einigen Leuten vor, denen sie nie wieder begegnen würden. Als das Bankett unmittelbar bevorstand, wechselten alle in den State Dining Room, in den man fünfzehn Zehnertische gezwängt hatte, die mit mehr Porzellan, Besteck und Gläsern gedeckt waren, als Clay je auf einem Fleck gesehen hatte. Die Sitzordnung war festgelegt. Niemand saß neben der Person, mit der er gekommen war. Clay führte Ridley an ihren Tisch und suchte ihren Platz. Dann rückte er ihr den Stuhl zurecht, küsste sie auf die Wange und sagte: »Viel Glück.« Sie schenkte ihm ein strahlendes, selbstbewusstes Modellächeln, aber er wusste, dass sie in diesem Moment nur ein kleines, vor Angst zitterndes Mädchen aus Georgien war. Kaum hatte er sich einige Schritte von ihr entfernt, stürzten zwei Männer auf sie zu und gaben ihr die Hand, um sich vorzustellen.
Für Clay sollte es ein langer Abend werden. Rechts von ihm saß eine prominente Dame der Gesellschaft aus Manhattan, eine verschrumpelte, spitznasige alte Zicke, die sich so lange ausgehungert hatte, dass sie wie eine Mumie aussah. Sie war taub und konnte sich nur brüllend unterhalten. Links von ihm hatte die Tochter eines Kaufhauskönigs Platz genommen, die mit dem Präsidenten zusammen aufs College gegangen war.
Clay beugte sich zu ihr hinüber und mühte sich fünf Minuten ab, Konversation zu machen, bis ihm klar wurde, dass sie nichts zu sagen hatte.
Die Minuten wurden immer länger.
Er saß mit dem Rücken zu Ridley und hatte keine Ahnung, wie es ihr ging.
Der Präsident hielt eine Rede, dann wurde das Essen serviert.
Ein Opernsänger an Clays Tisch, dem der Wein zu Kopf gestiegen war, fing an, schmutzige Witze zu erzählen. Er sprach laut und näselnd, kam aus irgendwelchen Bergen und hatte keinerlei Hemmungen, in Gegenwart von Damen ordinär zu werden. Auch die Tatsache, dass er gerade im Weißen Haus war, schien ihn nicht
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