Die Schuld
Fall die Mühe wert.«
»Ich setze ihn auf meine Liste.« Die Gulfstream stand im Hangar und wollte bewegt werden.
Das Telefon klingelte, und Pace unterhielt sich am anderen Ende der Suite fünf Minuten lang leise mit dem Anrufer. »Valeria«, sagte er, als er wieder an den Tisch kam. Vor Clays innerem Auge erschien ein Bild des geschlechtslosen Geschöpfs, das auf einer Karotte herumkaute. Der arme Pace. Er hatte etwas Besseres verdient.
Clay übernachtete in der Kanzlei. Neben dem Konferenzraum hatte er ein kleines Schlafzimmer und ein Bad einbauen lassen. Häufig arbeitete er bis nach Mitternacht, nahm dann ein paar Stunden Schlaf und eine schnelle Dusche, und um sechs Uhr morgens saß er schon wieder an seinem Schreibtisch. Sein Arbeitspensum wurde zur Legende, nicht nur in seiner Kanzlei, sondern in der ganzen Stadt. Zurzeit drehten sich die meisten Gerüchte in Anwaltskreisen um ihn, und sein aus sechzehn Stunden bestehender Arbeitstag verlängerte sich oft auf achtzehn oder zwanzig Stunden, wenn er noch in eine Bar oder auf Partys ging.
Aber was sprach dagegen, dass er rund um die Uhr arbeitete? Er war zweiunddreißig, ledig, hatte keine feste Beziehung, die ihm die Zeit stehlen konnte. Durch Glück und etwas Talent hatte er die einzigartige Chance bekommen, erfolgreicher zu sein als die meisten anderen. Warum sollte er sich nicht einige Jahre für die Kanzlei abrackern und sich dann für den Rest seines Lebens an den Strand legen?
Mulrooney erschien kurz nach sechs. Er hatte bereits vier Tassen Kaffee getrunken und sprudelte vor Ideen nur so über. »D-Day?«, fragte er, als er in Clays Büro platzte.
»D-Day!«
»Auf sie mit Gebrüll!«
Um sieben wimmelte es in der Kanzlei nur so von Anwälten und Anwaltsassistenten, die immer wieder einen Blick auf die Uhr warfen und auf die Invasion warteten. Sekretärinnen schleppten Kaffee und Bagels von Büro zu Büro. Um acht zwängten sich alle in den Konferenzraum und starrten auf den Breitbildfernseher. Der erste Spot lief auf einem Lokalsender für den Großraum Washington:
Eine attraktive Frau Anfang sechzig, kurzes graues Haar, modischer Haarschnitt, Designerbrille, sitzt an einem kleinen Küchentisch und starrt traurig aus einem Fenster. Stimme aus dem Off (die Unheil verkündend klingt): »Wenn Sie das Hormonpräparat Maxatil nehmen, haben Sie ein erhöhtes Risiko für Brustkrebs, Herzerkrankungen und Schlaganfälle.« Schwenk auf die Hände; Nahaufnahme einer auf dem Tisch stehenden kleinen Pillendose, auf der in großen Buchstaben das Wort MAXATIL steht. (Ein Totenkopf mit gekreuzten Knochen hätte nicht mehr Angst einjagen können.) Die Stimme aus dem Off: »Bitte setzen Sie sich sofort mit Ihrem Arzt in Verbindung. Maxatil ist unter Umständen eine schwere Bedrohung für Ihre Gesundheit.« Nahaufnahme des Frauengesichts, das jetzt noch trauriger aussieht, dann werden die Augen feucht. Die Stimme aus dem Off: »Weitere Informationen erhalten Sie von der Maxatil-Hotline.« Am unteren Bildrand blinkt eine kostenfreie Rufnummer. In der letzten Einstellung nimmt die Frau ihre Brille ab und wischt sich eine Träne fort.
Alle klatschten und jubelten, als würde das Geld gleich per Kurier geliefert werden. Dann schickte Clay sie auf ihre Posten damit sie sich ans Telefon setzten und anfingen, Mandanten zu sammeln. Nach ein paar Minuten kamen die ersten Anrufe. Um Punkt neun Uhr wurden wie geplant Kopien der Sammelklage an Zeitungsredaktionen und Börsensender des Kabelnetzes geschickt. Clay rief seinen alten Bekannten vom Wall Street Journal an und gab ihm einen Tipp. Er sagte, dass ein Interview in ein oder zwei Tagen möglich sei.
Goffman eröffnete bei 65,25 Dollar, gab aber sofort nach, als über die Maxatil-Klage in Washington berichtet wurde. Clay ließ sich von einem Lokalreporter fotografieren, als er die Klage beim Gericht einreichte.
Um zwölf Uhr war Goffman auf einundsechzig Dollar gefallen. Das Unternehmen gab eilig eine Pressemitteilung heraus, in der es vehement bestritt, dass Maxatil all die furchtbaren Dinge verursachte, die in der Klage behauptet wurden. Es hatte vor, mit allen Mitteln gegen die Klage anzugehen.
Patton French rief während des »Mittagessens« an. Clay aß gerade ein Sandwich, während er hinter seinem Schreibtisch stand und zusah, wie der Stapel mit den Telefonnachrichten immer höher wurde. »Ich hoffe, Sie wissen, was Sie tun«, sagte French mit Argwohn in der Stimme.
»Ja, das hoffe ich auch. Wie geht es
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