Die Schuld
Horn.
»Doch, ist es. Ich bin Ihnen dankbar, sage aber trotzdem Nein.« Clay hatte absolut keine Lust, sich noch mehr Schwachsinn aus dem Mund dieses Trottels anzuhören. In solchen Situationen liebte er das Telefon, weil man das Gespräch schnell beenden konnte.
»Sie machen einen großen Fehler, mein Sohn«, sagte van Horn. »Sie sehen die Zusammenhänge nicht.«
»Vielleicht nicht. Aber ich bin mir auch nicht sicher, ob Sie sie sehen.«
»Sie haben sehr viel Stolz, Clay, und das gefällt mir. Aber Sie sind auch noch sehr feucht hinter den Ohren. Sie müssen erst lernen, dass in diesem Leben alles von Beziehungen und Gefälligkeiten abhängt, und wenn einem jemand zu helfen versucht, nimmt man das Angebot an. Vielleicht bietet sich eines Tages eine Chance, sich dafür zu revanchieren. Sie machen einen Fehler, Clay, und ich befürchte, dass er ernsthafte Konsequenzen haben könnte.«
»Was für Konsequenzen?«
»Dieser Fehler könnte Auswirkungen auf Ihre Zukunft haben.«
»Es ist meine Zukunft, nicht Ihre. Sollte ich einen neuen Job brauchen, suche ich ihn mir selbst, und beim nächsten Mal wird es wieder so laufen. Aber im Augenblick bin ich mit meiner Arbeit sehr zufrieden.«
»Wie kann es Sie zufrieden machen, den ganzen Tag Kriminelle zu verteidigen? Ist mir völlig unverständlich.«
Diese Diskussion hatten sie schon häufiger geführt. Wenn sie nach dem üblichen Schema ablief, würde sie gleich eskalieren. »Diese Frage stellen Sie mir nicht zum ersten Mal. Lassen Sie uns nicht wieder damit anfangen.«
»Es geht um eine enorme Gehaltserhöhung, Clay. Mehr Geld, bessere Arbeit. Sie werden Ihre Zeit mit soliden Menschen verbringen, nicht mit Kriminellen aus der Gosse. Wachen Sie endlich auf, Junge!« Jetzt hörte Clay im Hintergrund Stimmen. Wo immer Bennett auch sein mochte, er agierte vor Publikum.
Mit zusammengebissenen Zähnen nahm Clay den »Jungen« kommentarlos hin. »Ich werde mich nicht mit Ihnen streiten, Mr van Horn. Ich habe Sie lediglich angerufen, um Ihr Angebot abzulehnen.«
»Das sollten Sie sich lieber noch mal überlegen.«
»Ich habe es mir bereits überlegt. Besten Dank, aber ich habe kein Interesse.«
»Sie sind ein Verlierer, Clay, und das wissen Sie. Mir ist das schon seit einiger Zeit klar, und dieses Gespräch bestätigt es mir aufs Neue. Sie lassen einen vielversprechenden Job sausen, damit Sie sich weiter in Ihrer stumpfsinnigen Routine bewegen und für ein lausiges Gehalt arbeiten können. Sie haben keinen Ehrgeiz, keinen Mumm und keine Vision.«
»Gestern Abend war ich noch jemand, der keine Angst vor der Arbeit hat - ein begabter Anwalt mit Charakter und einem messerscharfen Verstand.«
»Das nehme ich zurück. Sie sind ein Verlierer.«
»Ich hatte nicht nur eine sehr gute Universitätsausbildung, sondern war sogar ein stattlicher junger Mann.«
»Das war alles Unsinn. Sie sind ein Verlierer.«
Mit einem Lächeln knallte Clay den Hörer auf die Gabel, stolz darauf, den großen Bennett van Horn richtig geärgert zu haben. Er hatte dem Druck standgehalten und ihm deutlich zu verstehen gegeben, dass er sich nicht herumschubsen ließ.
Mit Rebecca würde er später reden. Es würde kein angenehmes Gespräch werden.
Clays dritter und letzter Besuch im Deliverance Camp verlief dramatischer als die beiden ersten. Er folgte einem Streifenwagen der Washingtoner Polizei. Neben ihm auf dem Beifahrersitz saß Jermaine, auf der Rückbank Rodney. Auch diesmal parkte Clay direkt vor dem Gebäude. Zwei junge schwarze Polizisten, die es zu langweilen schien, unter Strafandrohung richterliche Anordnungen durchsetzen zu müssen, verhandelten am Eingang, um ihnen Zutritt zu verschaffen. Innerhalb weniger Minuten waren sie in eine hitzige Auseinandersetzung verstrickt, an der außer Talmadge X und Noland auch ein Hitzkopf namens Samuel beteiligt war.
Die drei Betreuer vom D-Camp reagierten ihre Wut an Clay ab, was vielleicht teilweise damit zusammenhing, dass er der einzige Weiße war. Ausschlaggebend aber war, dass er die richterliche Anordnung besorgt hatte. Clay wiederum war das völlig egal, da er diese Leute ohnehin nie wiedersehen würde.
»Sie haben die Akte doch durchgeschaut, Mann!«, brüllte Noland ihn an.
»Ich habe das gesehen, was Sie mich sehen lassen wollten«, entgegnete Clay. »Jetzt möchte ich auch den Rest haben.«
»Wovon reden Sie?«, fragte Talmadge X.
»Ich will jedes einzelne Blatt Papier sehen, auf dem Tequilas Name steht.«
»Das ist
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