Die Schuld
Washington, und zugleich hasste er es. Er liebte die Geschichte, die Energie und die Bedeutung dieser Stadt, doch er verachtete das Heer von Speichelleckern, die sich um die Jobs schlugen und gegenseitig zu beweisen versuchten, wer am wichtigsten war. Neben ihm wurde gerade leidenschaftlich über die Abwassergesetze in den Central Plains debattiert.
Abe's Place war nichts als eine strategisch günstig gelegene Tränke in der Nähe des Capitol Hill, wo die Masse aus den Regierungsbüros auf dem Heimweg in die Vorstädte ihren Durst stillen konnte. Clay fielen etliche großartig aussehende, gut angezogene Frauen auf, von denen viele auf der Jagd zu sein schienen. Er stolperte über ein paar einladende Blicke.
Rebecca wirkte ruhig, entschlossen und kühl. Nachdem sie sich in eine Nische gesetzt hatten, bestellten sie hochprozentige Drinks - das war angesichts dessen, was folgen sollte, auch nötig. Clay stellte ein paar belanglose Fragen über die Anhörungen des Unterausschusses, die jetzt begonnen hatten. Allerdings ohne öffentliches Interesse, wenn man der Washington Post Glauben schenken wollte. Die Drinks kamen, und es ging los.
»Ich habe mit meinem Vater gesprochen«, begann Rebecca. »Ich auch.«
»Warum hast du mir nicht gesagt, dass dich der Job in Richmond nicht interessiert?«
»Und warum hast du mir nicht gesagt, dass dein Vater im Hintergrund Strippen gezogen hat, um mir einen Job zu verschaffen?«
»Du hättest es mir sagen sollen.«
»Ich dachte, meine Entscheidung wäre auch so klar gewesen.«
»Bei dir ist nichts klar.« Beide tranken einen Schluck. »Dein Vater hat mich einen Verlierer genannt. Ist das in deiner Familie die vorherrschende Meinung?«
»Im Augenblick sieht's so aus.«
»Du teilst sie also auch?«
»Ich habe zumindest Zweifel an dir. Einer von uns muss ja realistisch sein.«
In ihrer Beziehung hatte es eine Unterbrechung gegeben, aber der Versuch war fehlgeschlagen. Vor einem Jahr hatten sie beschlossen, nur noch gute Freunde zu sein. Sie wollten sich umschauen, herausfinden, ob es nicht vielleicht doch jemand anderen gab. Später entdeckte Clay, dass Barb diese »Trennung« eingefädelt hatte. Im Potomac Country Club hatte sie einen sehr reichen jungen Mann auf getan, dessen Frau gerade an Unterleibskrebs gestorben war. Selbstredend war Bennett ein enger persönlicher Freund der Familie. Er und Barb betätigten sich als Fallensteller, doch der Witwer witterte den Köder. Ein Monat im Umkreis der Familie van Horn genügte ihm, um die Flucht zu ergreifen und sich ein Haus in Wyoming zu kaufen.
Doch jetzt war die Lage sehr viel ernster. Mit größter Wahrscheinlichkeit war dies das Ende. Nach einem weiteren Schluck schwor sich Clay, Rebecca unter keinen Umständen zu verletzen, was immer sie auch sagen mochte. Seinetwegen konnte sie unter die Gürtellinie schlagen, wenn ihr danach war. Er würde es nicht tun.
»Also, was willst du, Rebecca?«
»Ich weiß es nicht.«
»Doch, du weißt es. Willst du Schluss machen?«
»Ich denke schon.« Tränen stiegen ihr in die Augen. »Gibt es einen anderen?«
»Nein.«
Zumindest noch nicht. Man musste Barb und Bennett nur ein paar Tage Zeit lassen.
»Du lässt dich ziellos treiben, Clay. Du bist intelligent und begabt, hast aber keinen Ehrgeiz.«
»Wie schön, mal wieder zu hören, dass ich intelligent und begabt bin. Vor ein paar Stunden war ich noch ein Verlierer.«
»Versuchst du jetzt, witzig zu sein?«
»Warum nicht, Rebecca? Was spricht dagegen? Es ist vorbei, lass uns den Tatsachen ins Auge sehen. Wir lieben uns, aber ich bin ein Verlierer, der ziellos der Zukunft entgegentaumelt. Dein Problem, wenn du das so siehst. Mein Problem sind deine Eltern. Sie werden den armen Kerl, den du eines Tages heiraten wirst, ganz schön fertig machen.«
»Den armen Kerl?«
»Genau. Ich bemitleide ihn, weil deine Eltern einfach unerträglich sind. Und das weißt du.«
»Den armen Kerl, den ich heiraten werde?« Von Tränen war nichts mehr zu sehen. Jetzt blitzten ihre Augen.
»Reg dich nicht auf.«
»Den armen Kerl, den ich heiraten werde?«
»Hör zu, ich mach dir ein Angebot. Lass uns auf der Stelle heiraten. Wir schmeißen unsere Jobs und heiraten sofort, ganz ohne Gäste und Zeremonie. Wir verkaufen alles und fliegen nach… vielleicht nach Seattle oder Portland, auf jeden Fall weit weg. Dann werden wir eine Zeit lang nur von der Luft und der Liebe leben.«
»Nach Richmond willst du nicht ziehen, aber nach Seattle?«
»In
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