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Die Schuld

Titel: Die Schuld Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Grisham
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einzuflechten, was aus seinen Honoraren geworden war. »Das wird sie eine neue Gulfstream kosten«, witzelte er zum Beispiel, und die Zuhörer applaudierten begeistert. Nach weniger als vierundzwanzig Stunden Aufenthalt im Royal Sonesta hatte Clay erfahren, dass die Gulfstream der edelste aller Privatjets und neu für rund fünfundvierzig Millionen zu haben war.
    French hatte einen Rivalen, einen Tabakanwalt irgendwo in Mississippi, der ungefähr eine Milliarde gemacht hatte und eine Fünfundfünfzig-Meter-Jacht besaß. Frenchs Jacht war nur zweiundvierzig Meter lang gewesen, deshalb hatte er sie flugs gegen ein Sechzig-Meter-Boot eingetauscht. Die Leute fanden auch das erheiternd. Seine Firma hatte, so erfuhr man weiter, inzwischen dreißig Anwälte und brauchte weitere dreißig. Er war zum vierten Mal verheiratet. Die letzte Ex hatte seine Wohnung in London bekommen.
    Und so weiter und so fort. Ein Vermögen gemacht, ein Vermögen verprasst. Kein Wunder, dass er sieben Tage die Woche arbeitete.
    Man redete auf eine so vulgäre Weise offen über Reichtum, dass jedes normale Publikum peinlich berührt gewesen wäre. Doch French kannte seine Zuhörer. Er stachelte sie an, noch mehr Geld zu verdienen, noch mehr auszugeben, noch mehr Klagen einzureichen, noch mehr Mandanten zu finden. Er war eine Stunde lang schamlos und bizarr, aber selten langweilig.
    Fünf Jahre als Pflichtverteidiger im OPD hatten Clay von vielen Aspekten moderner Anwaltstätigkeit abgeschirmt. Er hatte über Sammelklagen gelesen, aber keine Ahnung gehabt, dass die Kollegen in dieser Sparte so eine durchorganisierte und spezialisierte Clique bildeten. Sie schienen nicht einmal besonders intelligent zu sein. Ihre Überlegungen drehten sich ausschließlich darum, wie man am besten an Fälle kam und Vergleiche erzielte, nicht wie man im Gerichtssaal vorgehen sollte.
    French hätte wohl bis in alle Ewigkeit weiterschwadronieren können, verabschiedete sich indes nach einer Stunde zu völlig deplatzierten Standing Ovations. Um fünfzehn Uhr würde er einen Vortrag über das Forum Shopping halten, die freie Wahl des Gerichts, sprich: Wie finde ich den Gerichtsbezirk, der das Gesetz für meinen Fall am günstigsten auslegt? Der Auftritt versprach eine Fortsetzung des Vormittags zu werden, und darauf konnte Clay verzichten.
    Er streifte durch das French Quarter und klapperte statt Bars und Striptease-Lokalen Antiquitätenläden und Galerien ab, kaufte aber nichts. Der Gedanke, dass er sein Geld beisammenhalten müsse, ließ ihn nicht los. Abends saß er in einem Straßencafe am Jackson Square und beobachtete die Menschen, die vorbeigingen. Er versuchte, den heißen Zichorienkaffee zu genießen, aber das wollte nicht recht gelingen.
    Schwarz auf Weiß hatte er die Zahlen noch nicht, doch im Kopf hatte er bereits alles durchgerechnet. Vom Tarvan-Honorar blieben ihm nach Abzug von Steuern und Betriebsausgaben zusammen rund fünfundvierzig Prozent - und dem, was er bereits ausgegeben hatte, noch 6,5 Millionen. Er konnte das Geld auf einem Konto deponieren und pro Jahr dreihunderttausend Dollar Zinsen erbringen lassen. Das war ungefähr achtmal so viel, wie er als Pflichtverteidiger verdient hatte. Dreihunderttausend Dollar im Jahr, das waren fünfundzwanzigtausend im Monat. An diesem warmen Nachmittag in New Orleans im Schatten sitzend, konnte er sich nicht vorstellen, wie er jemals so viel Geld ausgeben sollte.
    Es war kein Traum. Es war die Wirklichkeit. Das Geld lag bereits auf seinem Konto. Er würde für den Rest seines Lebens reich sein. Und er würde nie so ein Anwalt werden wie diese Witzfiguren im Royal Sonesta, die sich über die hohen Gehälter von Jetpiloten und Segeljachtskippern ereiferten.
    Es gab nur ein wirklich ernst zu nehmendes Problem. Er hatte Leute eingestellt und Versprechungen gemacht. Rodney, Paulette, Jonah und Miss Glick hatten sichere Arbeitsplätze aufgegeben und blindes Vertrauen in ihn gesetzt. Es war unmöglich, jetzt einfach den Hahn zuzudrehen, sein Geld zu nehmen und abzuhauen.
    Er stieg auf Bier um und traf eine grundlegende Entscheidung. Er würde für kurze Zeit hart arbeiten, und zwar an den Dyloft-Fällen. Sie abzulehnen wäre wirklich dumm, denn was Max Pace ihm da angeboten hatte, war eine wahre Goldmine. Wenn das Verfahren abgeschlossen war, würde er seinem Personal hohe Prämien zahlen und die Kanzlei schließen. Er würde in Georgetown ein beschauliches Leben führen, die Welt bereisen, wenn ihm danach war, mit

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