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Die Schuld

Titel: Die Schuld Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Grisham
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seinem Vater fischen gehen und zusehen, wie sein Vermögen wuchs. Und er würde nie wieder eine Veranstaltung des Juristenzirkels besuchen.
     
    Clay hatte eben beim Zimmerservice ein Frühstück bestellt, da klingelte das Telefon. Es war Paulette, die als Einzige genau wusste, wo er war. »Hast du ein schönes Zimmer?«, fragte sie.
    »Kann man wohl sagen.«
    »Gibt es da ein Faxgerät?«
    »Selbstverständlich.«
    »Sag mir die Nummer, dann faxe ich dir was durch.«
    Es war die Kopie eines Zeitungsausschnitts aus der Sonntagsausgabe der Washington Post. Eine Verlobungsanzeige. Rebecca Allison van Horn und Jason Shubert Myers IV. »Mr und Mrs Bennett van Horn aus McLean, Virginia, haben die Ehre, die Verlobung ihrer Tochter Rebecca mit Mr Jason Shubert, Sohn von Mr und Mrs D. Stephens Myers aus Falls Church bekannt zu geben…« Wenngleich das Foto kopiert und gefaxt war, ließ es keinen Zweifel offen: Ein sehr hübsches Mädchen heiratete einen anderen Mann.
    D. Stephens Myers war der Sohn von Dallas Myers, der von Woodrow Wilson bis zu Dwight Eisenhower alle US-Präsidenten beraten hatte. Der Anzeige zufolge war Jason Myers Absolvent der juristischen Fakultäten von Brown und Harvard und bereits Partner bei Myers & O'Malley, der wahrscheinlich ältesten und mit Sicherheit spießigsten Kanzlei in ganz Washington. Er war der jüngste Partner in der Geschichte von Myers &c O'Malley und hatte die Kanzlei um eine Patentabteilung erweitert. Er selbst sah weniger patent aus, da halfen auch die runden Brillengläser nicht. Clay wusste, dass er nicht fair sein konnte, selbst wenn er sich noch so angestrengt hätte. Der Kerl war nicht unattraktiv, passte aber eindeutig nicht zu Rebecca.
    Die Hochzeit war für Dezember geplant und sollte in einer Episkopalkirche in McLean stattfinden. Danach war ein Empfang im Potomac Country Club vorgesehen.
    In weniger als einem Monat hatte Rebecca jemanden gefunden, den sie genug liebte, um ihn zu heiraten. Jemanden, der bereit war, ein Leben mit Bennett und Barb auszuhalten. Jemanden, der genügend Geld hatte, um die van Horns zu beeindrucken.
    Das Telefon klingelte erneut. Es war wieder Paulette. »Bist du in Ordnung?«, fragte sie.
    »Mir geht's prima«, zwang er sich zu sagen.
    »Tut mir sehr Leid, Clay.«
    »Ach es war vorbei, Paulette. Das hatte sich schon vor einem Jahr angekündigt. Es ist gut so. Jetzt kann ich sie endgültig vergessen.«
    »Wenn du meinst.«
    »Mir geht's wirklich gut. Danke für deinen Anruf.«
    »Wann kommst du zurück?«
    »Heute. Morgen bin ich wieder im Büro.«
    Das Frühstück kam. Er hatte völlig vergessen, dass er es bestellt hatte. Er trank ein wenig Orangensaft und ließ den Rest unberührt. Vielleicht dauerte diese kleine Romanze ja schon länger. Sie hatte nur noch Clay loswerden müssen. Und das war ihr nicht besonders schwergefallen. Je mehr Minuten verstrichen, desto schwerer wog ihr Verrat. Er sah und hörte förmlich, wie ihre Mutter im Hintergrund die Fäden zog, die Trennung einfädelte, ein Fangnetz für Myers auslegte und jetzt die Hochzeit bis ins letzte Detail plante.
    »Gott sei Dank bin ich die los«, murmelte er.
    Dann dachte er an den Sex, und dass Myers nun seinen Platz eingenommen hatte, und schleuderte das leere Glas von sich, das an einer Wand zerschellte. Er verfluchte sich dafür, dass er sich wie ein Idiot aufführte.
    Wie viele Menschen lasen in diesem Moment die Verlobungsanzeige und dachten an ihn? »Hat ihn ja ganz schön abserviert«, würden sie denken oder: »Mann, das ging aber schnell.«
    Dachte Rebecca auch an ihn? Wie befriedigend war es für sie, ihre Verlobungsanzeige zu bewundern und an den alten Clay zu denken? Wahrscheinlich sehr befriedigend. Vielleicht auch nicht. Was machte das für einen Unterschied? Mr und Mrs van Horn hatten ihn zweifelsohne über Nacht aus ihrem Gedächtnis gestrichen. Warum konnte er das nicht?
    Sie hatte es eilig, das war sicher. Ihre Beziehung war zu lang und zu eng gewesen und die Trennung noch zu frisch, als dass sie ihn einfach fallen lassen und sich am nächsten Tag einen anderen holen konnte. Er hatte vier Jahre lang mit ihr geschlafen, Myers höchstens vier Wochen. Wenigstens hoffte er das.
    Er ging wieder zum Jackson Square, wo bereits Artisten, Kartenleser, Jongleure und Straßenmusiker für buntes Treiben sorgten. Nachdem er sich ein Eis gekauft hatte, setzte er sich auf eine Bank neben der Andrew-Jackson-Statue. Als Erstes beschloss er, Rebecca anzurufen, um ihr zumindest

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