Die Schuld
Rückruf«, sagte er mit einer Beiläufigkeit, auf die Clay nicht im Geringsten vorbereitet war. »Nette Story im Wall Street Journal, wirklich. Nicht schlecht für einen jungen Mann wie Sie. Tut mir übrigens sehr Leid, dass ich unten in New Orleans keine Gelegenheit hatte, Sie zu begrüßen.« Es war die Stimme, die Clay aus den Lautsprechern kannte, nur viel entspannter.
»Kein Problem«, erwiderte er. Bei der Veranstaltung waren zweihundert Anwälte gewesen. Er hatte keine Veranlassung gehabt, Patton French zu treffen, und für French hatte es keinen Grund gegeben, überhaupt von ihm Notiz zu nehmen. Doch ganz offensichtlich hatte er seine Hausaufgaben gemacht.
»Ich möchte mich mit Ihnen treffen, Mr Carter. Ich denke, wir könnten ein Stück weit zusammenarbeiten. Vor ein paar Monaten war ich Dyloft selbst auf der Spur. Sie haben mich jetzt um Längen abgehängt, aber das Geld liegt ja immer noch tonnenweise auf der Straße.«
Clay hatte nicht das Bedürfnis, mit Patton French zusammenzuarbeiten. Auf der anderen Seite waren die Methoden, mit denen er Pharmaunternehmen zu hohen Entschädigungszahlungen zwang, legendär. »Darüber lässt sich reden«, erwiderte er.
»Ich bin gerade auf dem Weg nach New York. Wie wär's, wenn ich in Washington vorbeikomme und Sie abhole? Ich habe eine neue Gulfstream 5, die ich Ihnen gern vorführen würde. Wir bleiben in Manhattan, gehen heute Abend gepflegt essen, reden übers Geschäft. Morgen Abend geht's dann wieder nach Hause. Was halten Sie davon?«
»Nun, ich habe ziemlich viel um die Ohren.« Clay erinnerte sich lebhaft daran, welche Abscheu er in New Orleans empfanden hatte, als French in seinem Vortrag unablässig seine Spielzeuge erwähnte. Die neue Gulfstream, die Jacht, das Schloss in Schottland.
»Das glaube ich. Ich habe auch viel um die Ohren. Verdammt, klar, wir haben alle viel Arbeit. Aber das könnte der lukrativste Kurztrip werden, den Sie je gemacht haben. Ein Nein lasse ich nicht gelten. Wir treffen uns in drei Stunden am Reagan National Airport. Abgemacht?«
Abgesehen von ein paar Telefonaten und einem Racquettballspiel hatte Clay nicht viel vor an diesem Abend.
Verängstigte Dyloft-Patienten ließen ununterbrochen die Bürotelefone klingeln, doch er nahm die Anrufe nicht entgegen.
Und er war seit Jahren nicht mehr in New York gewesen. »Klar, warum nicht?«, sagte er und gestand sich ein, dass er auf den Flug mit der Gulfstream nicht minder scharf war als auf das Essen in einem Nobelrestaurant.
»Kluger Schritt, Mr Carter. Ein kluger Schritt.«
Der Terminal für Privatflugzeuge am Reagan National Airport war mit Topmanagern und Regierungsleuten überfüllt, die im Eilschritt kamen und gingen. Neben dem Empfangsschalter wartete eine süße Brünette im Minirock, die ein handgeschriebenes Schild mit seinem Namen hochhielt. Er stellte sich vor. Sie hieß Julia. Nur Julia. »Kommen Sie mit«, forderte sie ihn mit einem vollkommenen Lächeln auf. Sie wurden durch eine Ausgangstür begleitet und in einem Shuttlebus über die Rollbahn gefahren. Dutzende Lears, Falcons, Hawkers, Challengers und Citations standen dort entweder geparkt oder waren auf dem Weg zum Terminal oder kamen von dort. Sorgsam dirigierten Lotsen die Jets aneinander vorbei, auf den Zentimeter genau, sodass sich ihre Flügel beinahe berührten. Triebwerke heulten, die gesamte Szenerie war nervenaufreibend.
»Woher kommen Sie?«, fragte Clay.
»Aus Biloxi«, antwortete Julia. »Dort hat Mr Frenchs Kanzlei ihren Hauptsitz.«
»Ich habe vor ein paar Wochen in New Orleans einen Vortrag von ihm gehört.«
»Ja da waren wir. Wir sind selten zu Hause.«
»Er arbeitet ganz schön viel, was?«
»Ungefähr hundert Stunden die Woche.«
Vor dem größten Jet blieb der Bus stehen. »Da sind wir«, sagte Julia, und sie stiegen aus. Ein Pilot nahm Clay dessen Tasche mit Übernachtungsutensilien ab und verschwand damit.
Patton French war natürlich am Telefonieren. Er winkte Clay an Bord, wo Julia seine Jacke nahm und ihn fragte, ob er etwas trinken wolle. Nur Wasser, mit etwas Zitrone. Der erste Blick in einen Privatjet hätte nicht atemberaubender sein können. Die Videos, die er in New Orleans gesehen hatte, wurden der Wirklichkeit nicht im Mindesten gerecht.
Es duftete nach Leder, sehr teurem Leder. Sitze, Sofas, Kopfstützen, Wände, sogar die Tische waren mit Leder in verschiedenen Blau- und Beigetönen bezogen. Leuchten, Knäufe und Kontrollgeräte waren vergoldet. Die Ausstattung
Weitere Kostenlose Bücher