Die Schuld
»eifrigen Verteidiger der Armen«, eine noble Bemerkung, mit der sie sich ein Mittagessen in einem schicken Restaurant verdient hatte. Der Präsident der National Trial Lawyers Academy räumte ein, dass er noch nie etwas von Clay Carter gehört habe, aber »von seiner Arbeit sehr beeindruckt« sei.
Ein Juraprofessor aus Yale schimpfte: »Schon wieder ein Beispiel für den Missbrauch von Sammelklagen«, einer aus Harvard befand: »Ein perfektes Beispiel dafür, wie Schadenersatzklagen eingesetzt werden sollten, um Unternehmen bei Vergehen juristisch zu belangen.«
»Sorg dafür, dass das auf die Website kommt«, sagte Clay zu Jonah und reichte ihm den Artikel. »Unseren Mandanten wird es gefallen.«
18
T equila Watson bekannte sich des Mordes an Ramón Pumphrey schuldig und wurde zu lebenslanger Haft verurteilt. Nach zwanzig Jahren würde geprüft werden, ob eine vorzeitige Entlassung infrage käme. Letzteres stand nicht in dem Artikel der Washington Post. Dort hieß es nur, dass Watsons Opfer eines von mehreren bei einer Reihe Morde gewesen sei, die selbst für das an sinnlose Gewalt gewöhnte Washington nicht alltäglich seien. Die Polizei habe keine Erklärung. Clay machte sich eine Notiz, dass er Adelfa anrufen wollte, um sie zu fragen, wie es ihr ging.
Er schuldete Tequila etwas, wusste aber nicht recht, was. Es gab keine Möglichkeit, seinen ehemaligen Mandanten irgendwie zu entschädigen. Clay sagte sich, dass der Junge den größten Teil seines Lebens auf Drogen gewesen war und wahrscheinlich ohnehin den Rest seines Lebens hinter Gittern verbracht hätte, ob mit oder ohne Tarvan. Doch auch dieser Gedanke half ihm nicht, sich besser zu fühlen. Er änderte nichts daran, dass er zur anderen Seite übergelaufen war und die Wahrheit unter einem Berg von Geld begraben hatte.
Zwei Seiten weiter weckte ein anderer Artikel seine Aufmerksamkeit, und er vergaß Tequila Watson. Mr Bennett van Horns Mondgesicht, gekrönt von einem Schutzhelm mit seinen Initialen - dem Firmenlogo -, prangte auf einem Foto, das auf irgendeiner Baustelle aufgenommen worden war. Es zeigte ihn, wie er konzentriert Pläne studierte, zusammen mit einem Mann, der als Projektleiter von BvH vorgestellt wurde. Das Unternehmen war in einen hässlichen Streitfall verwickelt, bei dem es um die geplante Erschließung eines Gebietes nahe dem Bürgerkriegsschlachtfeld Chancellorsville ging, rund eine Fahrstunde südlich von Washington. Van Horn plante wie gewöhnlich eine seiner scheußlichen Siedlungen mit Eigentumsund Mietwohnungen, Geschäften, Spiel- und Tennisplätzen und dem obligatorischen Teich, alles kaum eine Meile entfernt vom Zentrum des Schlachtfeldes und unmittelbar neben der Stelle, wo General Stonewall Jackson einst von Konföderierten erschossen worden war. Denkmalpfleger, Rechtsanwälte, Historiker, Umweltschützer sowie die Confederate Society hatten die Waffen gezückt und waren wild entschlossen, Bennett den Bulldozer zu zermalmen. Wie nicht anders zu erwarten, lobte die Washington Post diese Gruppen, während sie an van Horn kein gutes Haar ließ. Allerdings war das Land im Besitz einiger älterer Farmer, und so schien er, zumindest im Augenblick, die Oberhand zu haben.
Der Artikel berichtete von weiteren Bürgerkriegsschauplätzen in Virginia, die von Bauunternehmern zubetoniert worden waren. Ein Verein namens Civil War Trust leitete den Gegenangriff. Dessen Anwalt wurde als radikaler Vertreter seiner Art beschrieben, der sich nicht davor scheue, für den Schutz historischer Stätten vor Gericht zu gehen. »Aber wir brauchen Geld, um zu prozessieren«, wurde er zitiert.
Zwei Telefonate, und Clay hatte ihn am Apparat. Sie unterhielten sich eine halbe Stunde. Anschließend stellte Clay dem Civil War Trust für den Prozesskostenfonds Chancellorsville einen Scheck über einhunderttausend Dollar aus.
Als er an Miss Glicks Schreibtisch vorbeikam, reichte sie ihm eine Anrufnotiz. Er blickte zweimal auf den Namen des Anrufers und konnte es selbst dann noch nicht glauben, als er im Konferenzraum saß und die Nummer wählte. »Mr Patton French bitte«, sagte er. Auf dem Zettel stand, es sei dringend. »Wer ist am Apparat?«
»Clay Carter aus Washington.«
»Ah ja, er erwartet Ihren Anruf bereits.«
Es fiel Clay schwer, sich vorzustellen, dass ein mächtiger und viel beschäftigter Anwalt wie Patton French auf seinen Anruf wartete. Doch innerhalb von Sekunden war der große Mann am Hörer. »Hallo, Mr Carter, danke für den
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