Die Schuld
die Sie da ausgelegt haben, ist sehr elegant. Und äußerst ungewöhnlich. In den meisten Fällen sprechen sich solche Nebenwirkungen von Medikamenten langsam herum, und zwar dadurch, dass immer mehr Patienten klagen. Die Ärzte sind verdammt schwerfällig, wenn es um die Weitergabe solcher Informationen geht. Sie kungeln mit den Pharmaunternehmen, also haben sie überhaupt kein Interesse daran, Alarm zu schlagen. Dazu kommt, dass meistens die Ärzte verklagt werden weil sie das Medikament verschrieben haben. Anwälte kommen erst nach und nach ins Spiel. Sagen wir mal, Onkel Luke drunten in Podunk, Louisiana, hat plötzlich ohne erkennbaren Grund Blut im Urin. Nachdem er sich das einen Monat lang tatenlos angesehen hat, geht er zum Arzt. Der setzt das neue Wundermittel ab, das er ihm verschrieben hatte. Onkel Luke geht dann vielleicht zum Anwalt der Familie, gewöhnlich einem Kleinstadtrechtsverdreher, der Testamente und Scheidungen macht und eine anständige Schadenersatzklage wahrscheinlich nicht mal erkennen würde, wenn sie ihn am Kopf träfe. Es dauert lange, bis fehlerhafte Produkte bekannt werden. Was Sie da geschafft haben, ist einzigartig.«
Clay begnügte sich damit, zuzuhören und zu nicken. Das Ganze würde zweifellos auf irgendetwas hinauslaufen. »Was mich vermuten lässt, dass Sie über Insiderwissen verfügen.« Eine Pause, eine kurze Unterbrechung, die Clay die Gelegenheit geben sollte zu bestätigen, dass er tatsächlich über Interna Bescheid wusste. Er verzog keine Miene.
»Ich verfüge über ein riesiges Netzwerk von Anwälten und Kontakten überall in den Staaten. Bis vor ein paar Wochen hat keine Sterbensseele von Problemen mit Dyloft gewusst. Ich hatte zwei Mitarbeiter in der Kanzlei, die die Vorarbeit zu dem Fall gemacht haben. Aber wir waren noch meilenweit davon entfernt, Klage einzureichen. Als Nächstes entdecke ich Ihr grinsendes Gesicht auf der ersten Seite des Wall Street Journal. Ich weiß, wie das Spiel läuft, Mr Carter, und ich weiß, dass Sie irgendwelche Interna in der Hand haben.«
»So ist es. Und die werde ich auch ganz sicher für mich behalten.«
»Gut. Da bin ich erleichtert. Ich habe Ihre Fernsehspots gesehen. Wir beobachten natürlich ständig alle Märkte. Nicht schlecht. Um genau zu sein: Diese Fünfzehn-Sekunden-Masche, die Sie verwendet haben, hat sich als die effektivste Methode erwiesen. Wussten Sie das?«
»Nein.«
»Pack sie dir abends oder morgens. Erst eine kurze Botschaft, die ihnen Angst macht, dann eine Telefonnummer, die Hilfe verspricht. Ich habe das tausendmal gemacht. Wie viele Fälle haben Sie auf diese Weise an Land gezogen?«
»Schwer zu sagen. Die Leute müssen zuerst noch die Urintests machen. Aber die Telefone haben nicht mehr aufgehört zu klingeln.«
»Meine Spots gehen morgen auf Sendung. Ich habe sechs Leute im Büro, die nichts anderes tun, als sich um die Werbung zu kümmern. Können Sie das glauben? Sechs Werbefachleute auf Vollzeit. Und die sind nicht billig.«
Julia erschien mit zwei Tabletts. Auf einem befanden sich Shrimps, auf dem anderen verschiedene Käsesorten, italienischer Schinken, Salami und ein paar anderer Wurst- und Fleischspezialitäten, die Clay nicht benennen konnte. »Eine Flasche von dem chilenischen Weißen«, sagte Patton. »Der dürfte inzwischen kühl sein.«
»Mögen Sie Wein?«, fragte er und nahm eine Garnele am Schwanz.
»Manche Sorten. Ich bin kein Weinkenner.«
»Ich liebe Wein. Ich habe um die hundert Flaschen hier an Bord.« Er nahm noch eine Garnele. »Jedenfalls… wir gehen davon aus, dass es zwischen fünfzig und hundert Dyloft-Fälle geben wird. Kommt das hin?«
»Hundert ist vielleicht etwas hoch gegriffen«, schränkte Clay vorsichtig ein.
»Ich mache mir um Ackerman Labs ein wenig Sorgen. Übrigens habe ich die schon zweimal verklagt, wussten Sie das?«
»Nein, wusste ich nicht.«
»Vor zehn Jahren, als sie noch jede Menge Geld hatten. Sie hatten einige lausige CEOs, die ein paar unvernünftige Akquisitionen getätigt haben. Jetzt sitzen sie auf einem Berg Schulden. Zehn Milliarden. Idiotische Geschichte. Typisch für die Neunziger. Die Banken haben den Blue-Chip-Unternehmen das Geld nachgeworfen, und die haben es genommen und versucht, die Welt damit zu kaufen. Trotzdem steht Ackerman jetzt nicht vor der Pleite oder so. Außerdem haben sie ein paar Versicherungen.«
Ein Köder. Clay beschloss anzubeißen.
»Sie sind auf mindestens dreihundert Millionen versichert« sagte er. »Und
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