Die Schuld
schloss an diesem Tag bei 26,25 Dollar. Clay würde auf dem Papier 1.625.000 Dollar machen, wenn er gleich kaufte und seine Leerverkäufe deckte. Er entschied sich, noch zu warten. Sobald am nächsten Morgen die Nachricht über die Einreichung der Klage in Biloxi bekannt wurde, würde der Kurs weiter fallen.
Um Mitternacht saß er an seinem Schreibtisch und telefonierte mit einem Mann aus Seattle, der seit fast einem Jahr Dyloft nahm und nun schreckliche Angst hatte, womöglich an einem Tumor zu leiden. Clay riet ihm, so bald wie möglich zum Arzt zu gehen, um eine Urinanalyse machen zu lassen. Er gab ihm die Adresse der Website und versprach, ihm gleich am nächsten Morgen Informationsmaterial zuzuschicken. Als sie sich voneinander verabschiedeten, war der Mann den Tränen nahe.
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I mmer mehr schlechte Nachrichten über das Wundermittel Dyloft kamen ans Tageslicht. Zwei weitere medizinische Studien wurden veröffentlicht, von denen die eine glaubwürdig behauptete, dass Ackerman Labs bei der Forschung geknausert habe und sämtliche Beziehungen habe spielen lassen, um die Zulassung für das Medikament zu bekommen. Schließlich nahm die FDA Dyloft vom Markt.
Die schlechten Nachrichten waren natürlich gute Nachrichten für die Anwälte. Als immer mehr Nachzügler auf den fahrenden Zug aufspringen wollten, brach Hektik aus. Patienten, die Dyloft schluckten, erhielten von Ackerman Labs und ihren Hausärzten eine schriftliche Warnung. Den schockierenden Mitteilungen folgten fast ohne Ausnahme ominöse Angebote von Anwälten, die sich auf Schadenersatzklagen spezialisiert hatten. Die Patienten direkt anzuschreiben erwies sich als äußerst effektiv. Auf jedem großen Absatzmarkt wurden Anzeigen in Zeitungen geschaltet, im Fernsehen liefen ununterbrochen Spots mit Hotline-Rufnummern. Die Möglichkeit eines unkontrollierten Tumorwachstums führte dazu, dass fast alle Dyloft-Patienten einen Anwalt kontaktierten.
Patton French hatte noch nie eine Schadenersatzklage erlebt, die von Anfang an so problemlos gelaufen war. Da er und Clay das Rennen zum Gericht in Biloxi gewonnen hatten, wurde ihre Gruppe zuerst zur Klage zugelassen. Sämtliche anderen Dyloft-Kläger, die sich der Sammelklage anschließen wollten, mussten zu ihnen kommen, was natürlich bedeutete, dass der aus Anwälten der Kläger gebildete Ausschuss ein zusätzliches Honorar für das Verfahren kassieren konnte. Der French wohlgesinnte Richter hatte bereits die fünf Mitglieder des Ausschusses ernannt - French, Clay, Carlos Hernández aus Miami und zwei mit French befreundete Anwälte aus New Orleans. Theoretisch war es Aufgabe des Ausschusses, den aufwändigen, komplizierten Prozess gegen Ackerman Labs zu koordinieren. Praktisch sah es allerdings so aus, dass die fünf Anwälte Papier zwischen den Parteien hin und her schieben und versuchen würden, für die etwa fünfzigtausend Mandanten und deren Anwälte ein Mindestmaß an Organisation zu gewährleisten.
Alle Dyloft-Kläger hatten die Möglichkeit, jederzeit aus der Gruppe »auszusteigen« und Ackerman Labs in einem eigenen Prozess zu verklagen. Da Anwälte im ganzen Land Mandanten sammelten und sich mit Kollegen zusammenschlossen, kam es zwangsläufig zu Auseinandersetzungen. Einige hatten etwas gegen die Klägergruppe von Biloxi und wollten eine eigene Gruppe bilden. Andere konnten Patton French nicht leiden. Manche wollten vor ein Gericht in ihrer Stadt ziehen, da sie darauf spekulierten, dass die Geschworenen ihnen eine höhere Entschädigung zusprechen würden.
Aber French kannte das alles schon. Er wohnte quasi in seiner Gulfstream, flog von der West- an die Ostküste und wieder zurück, traf sich mit den kooperierenden Anwälten, die hunderte Mandanten für die Sammelklage gegen Dyloft akquirierten, und hielt die zerbrechliche Koalition irgendwie zusammen. Die Entschädigung würde in Biloxi wesentlich höher sein, versprach er.
Er redete jeden Tag mit dem Firmenanwalt von Ackerman Labs, einem erfahrenen, alten Hasen, der schon zweimal versucht hatte, in den Ruhestand zu gehen, aber jedes Mal vom CEO des Unternehmens daran gehindert worden war. French machte ihm klar, was er wollte - lassen Sie uns jetzt über einen Vergleich reden, ohne externe Anwälte, weil Sie genau wissen dass das Unternehmen mit diesem Medikament keinen Prozess riskieren wird. Ackerman fing an zuzuhören.
Mitte August rief French die Dyloft-Anwälte zu einer Gipfelkonferenz auf seine riesige Ranch in der Nähe von
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