Die Schuld
Ketchum, Idaho. Er erklärte Clay, dass seine Anwesenheit bei der Konferenz unbedingt erforderlich sei, da er Mitglied des Ausschusses sei und - genauso wichtig - die anderen Anwälte schon darauf brannten, den jungen Senkrechtstarter kennen zu lernen, der den Dylo ft-Fall ins Rollen gebracht hatte. »Außerdem sollte man keine Besprechung mit den Jungs verpassen, sonst hat man sofort ein Messer im Rücken.«
»Ich komme«, sagte Clay.
»Ich schicke Ihnen ein Flugzeug«, bot French an.
»Nein, danke. Ich komme schon hin.«
Clay charterte einen Lear 35, einen hübschen kleinen Jet, der nur ein Drittel so groß war wie eine Gulfstream 5, aber mehr als genug Platz bot, da er allein reiste. Er traf sich mit den Piloten auf dem Reagan National Airport am Terminal für Privatflugzeuge, wo er sich unter die anderen großen Tiere mischte, die alle älter waren als er, und verzweifelt versuchte, so zu tun, als wäre es nichts Besonderes, an Bord eines eigenen Flugzeugs zu gehen. Sicher, es war Eigentum einer Chartergesellschaft, aber für die nächsten drei Tage gehörte es ihm.
Als der Learjet in nördlicher Richtung abhob, starrte Clay auf den Potomac hinunter; gleich darauf kamen das Lincoln Memorial und sämtliche anderen Wahrzeichen der Stadt in Sicht. Clay konnte sein Bürogebäude sehen, und nicht weit davon entfernt das OPD. Was würden wohl Glenda, Jermaine und die anderen, mit denen er früher gearbeitet hatte, denken, wenn sie ihn jetzt sehen könnten?
Was würde Rebecca denken?
Wenn sie doch nur noch einen Monat durchgehalten hätte. Er hatte so wenig Zeit gehabt, um über sie nachzudenken. Als das Flugzeug die Wolkendecke erreicht hatte, verschwand die Stadt. Bald lag Washington viele Meilen hinter Clay Carter war unterwegs zu einem geheimen Treffen mit den reichsten Anwälten der Vereinigten Staaten, den Spezialisten für Sammelklagen, die so gut waren, dass sie sich selbst mit den größten Unternehmen anlegten. Und diese Anwälte wollten ihn kennen lernen!
Clays Flugzeug war das kleinste auf dem Ketchum-Sun Valley Airport in Friedman, Idaho. Als der Learjet an den Gulfstreams und Challengers vorbeirollte, drängte sich ihm der lächerliche Gedanke auf, dass sein Flugzeug zu klein war, dass er ein größeres brauchte. Er musste über sich selbst lachen - er saß in der mit Leder verkleideten Kabine eines Learjets, der drei Millionen Dollar kostete, und fragte sich, ob er nicht doch etwas Größeres brauchte. Wenigstens konnte er noch über sich lachen. Was würde geschehen, wenn er das verlernte?
Sie parkten neben einem Flugzeug, das Clay bekannt vorkam. Es hatte die Hecknummer 000SK. Null null null Sammelklage, Patton Frenchs fliegendes Wohnzimmer und Büro. Neben der Gulfstream wirkte der Learjet wie ein Zwerg, und eine Sekunde lang sah Clay voller Neid zu dem elegantesten Luxusflugzeug der Welt hinüber.
Er wurde schon von einem Kleinbus erwartet, an dessen Steuer ein Mann saß, der wie die Imitation eines Cowboys aussah. Zum Glück redete der Fahrer nicht viel, und Clay genoss die fünfundvierzig Minuten dauernde Fahrt schweigend. Sie fuhren über hügelige, gewundene Straßen, die immer schmäler wurden. Es war keine Überraschung, dass Pattons Ranch herrlich lag und brandneu war. Das aus dicken Baumstämmen errichtete Haupthaus hatte so viele Anbauten und Stockwerke, dass man dort sämtliche Mitarbeiter einer mittelgroßen Kanzlei hätte unterbringen können. Ein zweiter Cowboy nahm Clay die Tasche ab. »Mr French erwartet Sie auf der hinteren Terrasse«, sagte er, als wäre Clay schon häufig auf der Ranch zu Gast gewesen.
Auf der hinteren Terrasse wurde gerade über die Schweiz gesprochen - die Anwälte erzählten, welche abgelegenen Skiorte sie bevorzugten. Clay hörte eine Sekunde lang zu, bevor er auf die Männer zuging. Die anderen vier Mitglieder des Ausschusses saßen in bequemen Sesseln, die mit Blick auf die Berge aufgestellt worden waren, rauchten dunkle Zigarren und hatten Drinks vor sich stehen. Aller Augen richteten sich auf Clay, als hätte ein Richter den Gerichtssaal betreten. In den ersten drei Minuten ihrer angeregten Unterhaltung bezeichnete man ihn als »brillant«, »clever«, »mutig« und - was ihm am besten gefiel - »visionär«.
»Sie müssen uns sagen, wie Sie Dyloft gefunden haben«, sagte Carlos Hernández.
»Das wird er nicht tun«, erwiderte French, während er einen hochprozentigen Drink für Clay mixte.
»Jetzt sagen Sie's schon«, warf Wes Saulsberry
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