Die Schuldlosen (German Edition)
so später Stunde auch kaum noch jemand unterwegs. Da stand nicht zu befürchten, Alex könne in seinem Zustand größeren Schaden anrichten.
Lothar hatte sich nur ein wenig geärgert, weil Alex sich einfach verdrückt und es ihm überlassen hatte, die Zeche zu zahlen. Danach war Lothar nach Hause gegangen, hatte sich ins Bett gelegt und erst am Ostersonntag um die Mittagszeit gehört, dass Janice Heckler nur dreißig Meter hinter ihrem Elternhaus, siebzig Meter vor der Villa Schopf, nicht weit von Webers Garten entfernt, ertrunken sein sollte.
«Wie er mich erwischt hat», sagte Alex.
«Wobei?», fragte Silvie.
«Wie ich die rollige Katze ersäufte», sagte er und grinste immer noch, als amüsiere ihn das inzwischen. «Lothar hat mich von ihr weggerissen, nach Hause gefahren und Heike brühwarm erzählt, was ich angerichtet hatte. Wenn er in der Nacht den Mund gehalten hätte, hätte Heike den ihren gar nicht aufreißen können. Dann müsste Saskia morgens nicht durch Wind und Wetter zur Schule laufen. Und mein Sohn könnte heute da draußen Fußball spielen.»
Er zeigte zum Fenster, sprach weiter: «Aber ich habe ihm das nicht übelgenommen, wirklich nicht. Lothar stand unter Schock. Er war das personifizierte Heulen und Zähneklappern, daran erinnere ich mich gut. In dem Zustand denkt man nicht darüber nach, wem man was sagen darf. Was hätte er Heike auch sonst erzählen sollen? Ich war klitschnass, und sie wollte wissen, was passiert war.»
Silvie starrte ihn ungläubig an, schüttelte mechanisch den Kopf und wurde noch einmal laut: «Das ist doch nicht wahr! Warum behauptest du so etwas? Machst du jetzt Tabula rasa? Wenn du Saskia nicht sehen darfst, willst du auch sonst keinen sehen?»
«Ach was.» Er winkte lässig ab. «Ich finde nur, du bist inzwischen alt genug für die Wahrheit. Und ich schätze, Lothar wird das genauso sehen, wenn du an alte Zeiten anknüpfen willst. Es wundert mich, dass er es dir bisher verschwiegen hat. Ich dachte, er hätte dich nach eurer Hochzeit aufgeklärt, weil danach keine Briefe mehr kamen.»
«Ich hab keine mehr geschrieben, weil ich keine bekam», fuhr sie auf. «Das hast du doch bezweckt, oder? Jetzt willst du mich auch nur loswerden, gib’s zu!»
Sekundenlang betrachtete er sie nachdenklich, dann nickte er. «Du hast es erfasst. Kluges Mädchen. Trink deinen Kaffee aus, du darfst auch einen Keks dazu essen. Dann steigst du ins Auto, angelst deinen Schlüssel unter dem Beifahrersitz hervor und fährst nach Hause zu deiner Familie.»
«Dein Kaffee schmeckt mir nicht», sagte Silvie wie ein trotziges Kind, fehlte nur, dass sie mit einem Fuß aufstampfte.
«Dann nimm dir nur einen Keks und geh», forderte er. «Aber geh endlich. Lass mich in Ruhe, Silvie. Ich hätte letzten Samstag nicht bei dir klingeln dürfen. Ich wusste sofort, dass es ein Fehler war.»
«War es nicht», widersprach sie und triumphierte innerlich. Hatte sie sein Verhalten doch richtig beurteilt. «Sieh mich an», verlangte sie, als er den Kopf senkte: «Es war kein Fehler, Alex. Es war gut, dass du zu mir gekommen bist. Du brauchst einen Menschen, mit dem du reden kannst. Hast du mal mit deiner Anwältin darüber gesprochen? Ich meine, weiß sie, dass Lothar dich angeblich bei Janice in der Greve erwischt …»
«Nicht angeblich, Silvie», fiel er ihr ins Wort. «Glaub es oder lass es. Wenn du es nicht glauben kannst, dann gehst du jetzt wirklich besser und kommst nie wieder. Ich kann nicht bis an mein Lebensende so tun, als wäre ich ein Justizirrtum und Heike nur eine dumme Kuh, die mich loswerden wollte. Wollte sie gar nicht. Sie hat mich nicht betrogen. Sie hat mich geliebt und war genauso eifersüchtig auf Janice, wie du es vor ihr warst. Deshalb wollte sie nicht mit mir in der Villa leben. Die Nachbarschaft gefiel ihr nicht. Es war ihr nicht einmal recht, dass ich jeden Abend zu meiner Mutter fuhr. Ich hätte ja auf dem Rückweg wieder Steinchen an Janice’ Fenster werfen können, verstehst du?»
«Sicher», sagte Silvie, «genau aus dem Grund verstehe ich ja nicht, warum Heike nicht einfach den Mund gehalten hat. Aber damit ist meine Frage nicht beantwortet. Weiß deine Anwältin …»
«Natürlich», unterbrach er sie erneut. «Mein Bruder hat ihr nach der Urteilsverkündung alles gesagt, weil sie in Berufung gehen wollte. Vorher meinte sie, Lothar hätte von Heike erfahren, was ich angerichtet hatte. War eine naheliegende Vermutung, dass Heike zuerst mit meinem Freund
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