Die Schuldlosen (German Edition)
soll zugeben, die Hose und die Schuhe zusammen mit dem Kram von Alex beseitigt zu haben? Zu dem Zeitpunkt hatte die Polizei schon alles abgesucht. Da hätte dir doch klar sein müssen, dass etwas nicht stimmte.»
«Nein, mein Gott», versuchte er sich zu rechtfertigen. «Ich hatte keine Ahnung, wo der Kram geblieben sein könnte. Aber ich habe auch nicht großartig darüber nachgedacht.»
«Und dir war keine Sekunde lang klar, dass ich auf Alex angewiesen war», meinte Heike sarkastisch.
«Doch», erwiderte Lothar. «Warum habe ich mir wohl den Arsch aufgerissen, um ihn aus der Schusslinie zu halten?»
«Du hast dich aus der Schusslinie gehalten», stellte Heike fest. «Und den Arsch musstest du dir dafür nicht aufreißen. Nur die Schnauze halten und mich dazu bewegen, dass ich deine Version übernehme und dabei bleibe. Hattest du Angst, sie hätten dich wegen Beihilfe oder Verschleierung zur Rechenschaft gezogen? Dafür hättest du höchstens ein paar Monate bekommen, und die wahrscheinlich noch auf Bewährung. Ihm haben sie neun Jahre aufgebrummt – vielleicht nur für den Versuch zu helfen.»
«Dann hätte er mir das sagen sollen», rechtfertigte Lothar sich. «Warum erzählt er mir, er hätte sie ersäuft? Wie ist er denn deiner Meinung nach über die Leiche gestolpert? Ist er mitten durch die Greve nach Hause gewandert?»
«Silvie meinte, er hätte in Webers Laube seinen Rausch ausschlafen wollen», sagte Heike und legte ihr Besteck auf den Teller. Von der ohnehin nicht üppigen Portion war nicht mehr viel übrig. Normalerweise hätte sie sich den kleinen Rest selbst dann noch einverleibt, wenn sie satt gewesen wäre. Aber jetzt war ihr der Appetit vergangen.
«Silvie meinte, Silvie meinte» , äffte er sie nach und verdrehte die Augen. «Der werde ich den Kopf noch zurechtsetzen, darauf kannst du dich verlassen. Was denkt sie sich dabei, so einen Schwachsinn herauszuposaunen? Und jetzt denk mal vernünftig, Heike, versuch es dir vorzustellen. Janice lag nicht auf Höhe von Webers Garten, sondern näher zum Haus ihrer Eltern. Die Laube steht dicht an der Straße, nicht am Ufer. Ein Betrunkener, der sich schlafen legen will, späht nicht erst noch in der Gegend herum wie ein Indianer.»
«Vielleicht musste er mal und ist runter zum Ufer gegangen, um zu pinkeln», wandte Heike ein. «Bei dem, was er intus hatte, halte ich das für nicht so abwegig.»
Sie schob den Teller mit dem Rest Rotkohl und Kartoffelpüree von sich: «Wenn ich gewusst hätte, dass da noch jemand gewesen sein muss, hätte ich das mit ihm durchgestanden. Sie konnten ihm doch nichts beweisen.»
«Welche Möglichkeit ziehst du vor?», fragte Lothar. «Dass du mit deiner Aussage einen Unschuldigen in den Knast gebracht hast, deinen Lebensgefährten, den Vater deiner Kinder, von denen du dann prompt eins verloren hast? Oder dass er es war und relativ glimpflich davongekommen ist? Immerhin musste er von neun Jahren nur sechs absitzen. Und jetzt kann er neu anfangen.»
Darauf wusste Heike keine Antwort. Wenn sie ehrlich war, musste sie gestehen, dass sie sich mit der zweiten Variante nur halb so mies fühlte.
«Aber die Sache mit den Klamotten ist merkwürdig», sagte sie. «Die muss doch irgendwer genommen haben.»
«Ja», stimmte Lothar zu. «Irgendwer. Vielleicht war es ein Tier, ein Hund oder ein Fuchs.»
«Ein Fuchs mit einem Paar High Heels.» Heike tippte sich an die Stirn und musste gegen ihren Willen lächeln.
Lothar gefiel das offenbar. Er schlug im Sessel die Beine übereinander, als kämen sie nun zum gemütlichen Teil.
Am Mittwochmorgen wartete Alex vergeblich beim Eingang zur Sakristei. Bis kurz nach acht stand er da und kämpfte mit sich, ob er hinübergehen und nach Saskia fragen sollte. Hätte ja sein können, dass sie krank geworden war, obwohl er das nicht glaubte und es sich auch nicht vorstellen mochte.
Um Viertel nach acht riskierte er es. Martha stand allein hinter der Verkaufstheke und beriet eine junge Frau, die wohl für den Samstagnachmittag eine größere Kaffeetafel plante. Die Frau kannte er nicht. Aus der Küche, die unmittelbar hinter dem Verkaufsraum lag, drangen trotz der geschlossenen Schiebetür Geschirrklappern und Stimmengewirr.
Frühstückspause, dachte er und sah sie im Geist um den großen Holztisch mit der abwaschbaren Wachstuchdecke sitzen. Wolfgang und Gerhild, den alten Jentsch, den Gesellen, einen Lehrling und die beiden Frauen, die morgens bei der Brötchenauslieferung im Dorf und
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