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Die Schuldlosen (German Edition)

Die Schuldlosen (German Edition)

Titel: Die Schuldlosen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Hammesfahr
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absolut nichts vorgefallen. Er hatte dem Kind nicht mal ein Eis gegeben. Gestern Nachmittag hatten sie gemeinsam einen Obstsalat zusammengeschnippelt und genüsslich verzehrt, nachdem die Hausaufgaben zu ihrer beider Zufriedenheit erledigt waren.
    Der halbe Kühlschrank lag noch voll mit Früchten: eine angeschnittene Honigmelone, Birnen, rote und grüne Trauben, Kiwi und ein Granatapfel, dessen Kerne Saskia mit wahrer Hingabe ausgepult hatte. Zur Krönung noch ein paar Walnüsse obendrauf. Jetzt saß er da mit dem ganzen Zeug.
    Nachdem er fast eine halbe Stunde lang herumgelaufen war und sich die Seele aus dem Leib geheult hatte, verebbte der Strom, aber nicht die Wut. Er beruhigte sich nur äußerlich, ging nach oben und wusch sich das Gesicht so lange mit kaltem Wasser, bis die Haut brannte und prickelte. Beseitigt waren die Spuren seines Ausbruchs damit nicht.
    Auch um Viertel nach elf sah man ihm noch deutlich an, dass er wieder mal zwei Kilo Zwiebeln geschält und in kleine Würfel geschnitten hatte. Er machte sich trotzdem auf den Weg zur Schule, mit dem Auto diesmal. Wenn sie ihn von seinem Kind fernhalten wollten, mussten sie wohl oder übel das Amtsgericht bemühen. Und bis irgendein Beschluss gegen ihn vorlag, mussten sie sich etwas anderes einfallen lassen.
    Den Mercedes stellte er kurzerhand vor der Gärtnerei Wilms ab, ging das letzte Stück zu Fuß und hielt Ausschau nach einem Fahrzeug der Familie Jentsch oder einem ihrer Vasallen, den sie zu Fuß geschickt hatte.
    Er ging an der Schule vorbei, noch ein Stückchen weiter bis zu einem Mauervorsprung bei einem Hauseingang, hinter dem er etwas Deckung fand. Es war niemand zu sehen, der Saskia in Empfang nehmen sollte. Vielleicht gingen sie davon aus, dass er sich ihren unerklärlichen Entscheidungen widerspruchslos fügte.
    Lange warten musste er nicht. Kurz nach halb zwölf kam Saskia mit einem Schwung anderer Kinder aus dem Schulgebäude. Die meisten verteilten sich im Schulhof, weil sie nach der kleinen Pause noch Unterricht hatten. Viele von Saskias Klassenkameraden eilten zu Autos, die den Jumperzweg entlang auf sie warteten. Und seine Kleine trottete mit hängenden Schultern und gesenktem Kopf der Pützerstraße entgegen. Armes Ding.
    Es versetzte ihm einen Stich, sie so zu sehen. Für einen Moment zuckte ihm noch einmal Gerhilds Stimme durch den Kopf. «… ihr das Herz nicht unnötig schwermachst.» Das hatten sie doch bereits getan. Aber warum, verdammt noch mal? Nur aus Lust und Laune? Er wartete in dem Hauseingang, bis die meisten Autos abgefahren waren, dann eilte er ihr nach und holte sie bald ein.
    «Hey, Süße», sagte er, als er dicht hinter ihr war.
    Sie wirbelte zu ihm herum, als hätte der Heilige Geist sie angesprochen. «Papa!» In der nächsten Sekunde lag sie bereits schluchzend in seinen Armen. «Tante Gerhild hat gesagt …»
    «Tante Gerhild kann uns mal kreuzweise», unterbrach er sie. «Die hat uns überhaupt nichts zu sagen.»
    «Aber Heike hat gesagt …»
    Er nahm sie bei der Hand. Bis sie die Pützerstraße erreichten, berichtete sie schniefend, dass Heike gestern Abend noch spät nach Garsdorf gekommen war, um ihr zuvor erteiltes Einverständnis wieder zurückzunehmen. Die gesamte Begründung hatte Saskia nicht gehört, weil sie bereits im Bett gelegen hatte. Aber als es unten laut geworden war, hatte sie noch mal dringend aufs Klo gehen müssen.
    «Heike hat zu Tante Gerhild und Oma gesagt, du willst sie ins Gefängnis bringen und wahrscheinlich auch noch viel Geld.»
    «So ein Unsinn», protestierte er. «Wie kommt sie darauf?»
    «Das weiß ich nicht», jammerte Saskia. «Ich bin nach unten gegangen und habe gesagt, dass du mir versprochen hast, dass sie nicht ins Gefängnis muss und dass du genug Geld hast. Da hat Heike gesagt, ich bin ein ahnungsloser Engel, und du bist ein hinterlistiger Hund. Und Silvie soll sich bloß in Acht nehmen, sonst steht sie demnächst mit zwei kleinen Kindern ohne Mann da. Und da hat Oma gesagt, ich soll ins Bett gehen. Und nachher ist Tante Gerhild noch mal gekommen und hat gesagt …»
    Was sie von sich gab, war auch nicht geeignet, ihm eine konkrete Vorstellung dessen zu geben, was Heikes Sinneswandel ausgelöst hatte. Obwohl Silvies Name gefallen war, kam ihm nicht der Gedanke, dass sie etwas damit zu tun haben könnte. Im Gegenteil, für ihn klang es, als wolle Heike nach all den Jahren Lothars damalige Rolle aufdecken. Aber warum, zum Teufel? Was hatte sie davon, Lothar jetzt

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