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Die Schuldlosen (German Edition)

Die Schuldlosen (German Edition)

Titel: Die Schuldlosen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Hammesfahr
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begleiten und Frau Jentsch nicht weiter zu belästigen. Bedrohen dürfe er sie erst recht nicht.
    «Ich habe sie ja auch nicht bedroht», stellte er richtig. «Ich habe nur getan, wozu Bernd Leunen mir geraten hat. Das Gespräch mit der Familie gesucht, um meine Tochter sehen zu dürfen. Bernd Leunen meinte, zum Wohle des Kindes würde sich bestimmt eine Einigung finden lassen. Gestern und vorgestern sah es so aus, als hätte er recht. Und heute machen die einfach wieder dicht. Darf ich nicht wenigstens wissen, warum?»
    Die Erwähnung Bernd Leunens machte sichtlich Eindruck. Womöglich war in der Wache über Gerhilds Auftritt gesprochen worden. Die beiden tauschten Blicke, als hätten sie Verständnis für ihn und ein bisschen Mitgefühl. Aber es änderte nichts an der momentanen Situation. Man konnte Heike nicht zwingen, eine Erklärung abzugeben. Ob sie seinem Kind so ohne weiteres den Umgang mit ihm verbieten konnte, wussten die Polizisten nicht. Das sollte er besser mit einem Anwalt besprechen.
    «Darauf kann Heike sich verlassen», sagte er, stieg wieder in seinen alten Mercedes und fuhr zurück nach Garsdorf. Doch ehe er Frau Doktor Brand anrief, wollte er mit Silvie reden. Sie hatte es ihm schließlich angeboten, und jetzt brauchte er einen Menschen, der ihm zuhörte und sein Unverständnis teilte.

    An dem Vormittag war Silvies Großvater aus dem Krankenhaus entlassen worden. Nur eine Woche nach der OP. Gottfried konnte noch nicht wieder richtig aufrecht gehen, aber das kümmerte keinen. Silvie hatte ihn abgeholt und leistete ihren Großeltern noch den halben Tag Gesellschaft. Sie brach erst wieder auf, als es Zeit wurde, Lothar von der S-Bahn abzuholen. Danach brauchte Lothar den Kombi, um für seine Mutter einen Kasten Mineralwasser zu besorgen.
    Deshalb stand der Passat auch nicht vor dem Haus, als Alex kurz nach sechs am Abend noch eine Runde drehte und durchs Margarineviertel lief. Er klingelte trotzdem wieder und war ungemein erleichtert, als Silvie an die Tür kam.
    Sie hörte zu und hätte ihm einiges erklären können. Aber nach der gestrigen Auseinandersetzung mit Lothar … Der hatte keinen Hehl daraus gemacht, dass Heike ihn auf der Arbeit angerufen und zu einem Gespräch unter vier Augen in ihre Wohnung bestellt hatte. Nach der Rückkehr war er so außer sich gewesen, wie Silvie ihn vorher noch nie erlebt hatte.
    «Du hast ja wohl einen Knall! Was hast du dir dabei gedacht, Heike zu beschuldigen? Was machst du, wenn sie zur Polizei rennt und erzählt, dass Alex damals nicht allein nach Hause gekommen ist? Willst du ausprobieren, wie das ist, wenn man mit zwei kleinen Kindern alleine dasteht? Oder willst du auch nach Holland fahren und eins am Strand verlieren?»
    Deshalb hielt Silvie sich nun bei Alex lieber bedeckt. Sie hatte ja ohnehin nicht vorgehabt, ihm zu erläutern, warum er unschuldig sein musste, kommentierte seine Ausführungen nur mit: «Das tut mir aber leid.» Und: «Die blöde Kuh, was fällt der ein? Warum muss denn auch noch Saskia darunter leiden?»
    Dann versuchte sie ihn zu beruhigen: «Heike kriegt sich schon wieder ein. Warte mal ein paar Tage ab.»
14.–17. Oktober 2010
    Dass ihre Tochter auch donnerstags heimlich von der Schule abgeholt und durch den alten Ortskern heimgeleitet wurde, erfuhr Heike Jentsch nicht. Zu Hause gab Saskia sich die größte Mühe, ihr Geheimnis zu wahren. Kein Wort von Papa kam über ihre Lippen. Bis sie zum Mittagessen gerufen wurde, verschanzte sie sich in ihrem Zimmer, machte die Hausaufgaben, hörte die Geschichte vom Schlossgespenst und träumte vor sich hin. Träumte sich in die Villa Schopf, mit Papa in die Küche, wo sie gemeinsam Obstsalat mit Granatapfelkernen machten. Träumte sich neben Papa auf die Couch, wo sie sich ein kleines Eis gönnten. Träumte sich in ein rosa Himmelbett, mitten hinein in das Leben, das Papa ihr ausmalte, wenn sie an den alten Häusern in den schmalen Gassen und an den Gräbern auf dem Friedhof vorbeigingen.
    Als Heike bei der zweiten Lieferung nachfragte, hörte sie von ihrer Schwägerin, Saskia schmolle wieder, sei ohne Begrüßung hereingekommen und gleich nach oben gegangen.
    «Was erwartest du?», fragte Gerhild. «Von heute auf morgen ist das nicht ausgestanden. So wie du dich bisher um sie gekümmert hast, braucht sich keiner wundern, dass Alex leichtes Spiel mit ihr hatte. Hin und wieder hättest du dir wirklich ein bisschen mehr Mühe mit ihr geben können. Ich fürchte, sie wird noch geraume Zeit

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