Die Schuldlosen (German Edition)
im Schneckenhaus zubringen – vorausgesetzt, Alex lässt sie überhaupt in Ruhe. Woran ich noch nicht so recht glaube. Ich möchte wetten, dass der in Schloss Schreckenstein irgendetwas ausbrütet, um es uns heimzuzahlen.»
Das befürchtete Heike auch und wünschte sich, sie hätte nicht noch mit zusätzlichen Problemen zu kämpfen. Die Blutungen hatten zwar aufgehört. Körperlich fühlte sie sich wieder einigermaßen, seelisch dagegen …
Es ging auf und ab mit ihren Gefühlen. Mal fand sie es vollkommen richtig, dass sie Alex hatte abblitzen lassen. Dann wieder meinte sie, sie hätte doch ein paar Worte mit ihm wechseln können. Sich einfach mal anhören, wie er die Sache darstellte. Ob er vielleicht eine Vermutung hatte, was mit den Klamotten von Janice geschehen sein könnte. Ob er es vielleicht sogar wusste.
Rückblickend betrachtet meinte sie, sein Bruder hätte sich damals untypisch verhalten. Eigentlich hätte sie sich sofort fragen müssen, warum Albert umgehend diese Koryphäe von einer Strafverteidigerin engagierte. Kaum hatte die Polizei Alex ein paar Fragen zum Abend in der Linde und dem Vorfall im Männerklo gestellt, da stand Greta Brand schon bereit, ihn zu verteidigen. Dabei scherte es Albert sonst einen feuchten Dreck, was sein kleiner Bruder trieb und ob Alex Probleme hatte.
Am Donnerstagnachmittag fuhr Heike nicht wie sonst sofort zum Discounter, sondern zuerst zu einer Autowerkstatt, um die dort eingelagerten Winterreifen aufziehen zu lassen. Wenn man damit bis November wartete, dauerte es ewig, bis man einen Termin bekam. Jetzt machte sich sofort ein Mechaniker an die Arbeit – und stellte fest, dass am linken Hinterreifen sämtliche Radmuttern gelöst worden waren. Von einem Zufall konnte man da kaum noch sprechen.
Der Mechaniker war überzeugt, dass jemand nachgeholfen hatte. «Da haben Sie noch mal Glück gehabt», meinte er. «Von allein löst sich vielleicht mal eine Mutter, aber nicht alle auf einmal. Haben Sie gestern irgendwo geparkt, wo es nicht sicher war? Oder heute Morgen? Allzu lange dürfte das nämlich noch nicht her sein, sonst hätten Sie schon die eine oder andere Schraube verloren, vielleicht sogar den Reifen.»
Er riet ihr, zur Wache zu fahren und es zu melden.
Heike folgte dem Rat. Doch mehr als eine Anzeige gegen unbekannt kam dabei nicht heraus, da mochte sie eine noch so klare Vorstellung vom Übeltäter haben. Nachdem sie sich minutenlang mit einer jungen Polizistin auseinandergesetzt hatte, verlangte Heike energisch, Bernd Leunen zu sprechen. Der kam auch sofort aus einem der Büros im hinteren Teil des Gebäudes. Aber von einem Mordversuch wollte er erst recht nichts hören.
«Wenn ich den Reifen verloren hätte», sagte Heike, «wäre es auf jeden Fall eine Körperverletzung gewesen. Oder meinen Sie, ich hätte einen Unfall ohne Kratzer überstanden?»
«Wenn», wiederholte Bernd Leunen. «Es ist aber nichts passiert, weder Sie noch Ihr Auto haben eine Schramme abbekommen.»
Er bat sie aus dem Wachbereich nach hinten in ein Büro und schloss die Tür, damit er offen reden konnte. «Ich kann mir denken, worauf Sie hinauswollen, Frau Jentsch», begann er. «Aber wir wollen doch die Kirche im Dorf lassen. Wo sollte Alex sich denn an Ihrem Honda zu schaffen gemacht haben? Tagsüber steht der Wagen auf einem stark frequentierten Parkplatz und nachts in einer Tiefgarage, zu der nur Mieter Zutritt haben.»
«Wer reinwill, kommt rein, auch wenn er kein Mieter ist», widersprach Heike. «Man muss nur warten, bis jemand reinfährt, und die Rampe hinunterhuschen, ehe das Tor sich schließt. So kommt man auch wieder raus.»
«Das fällt aber auf», meinte Bernd Leunen.
«Haben Sie es schon probiert, oder was macht Sie so sicher?», fragte Heike. Darauf bekam sie keine Antwort. Deshalb fuhr sie fort: «Ich behaupte ja nicht, dass Alex in der Garage war. Da hätte ich den Reifen wahrscheinlich heute Morgen auf dem Weg nach Garsdorf und zurück verloren. Das muss anschließend passiert sein, auf dem Parkplatz. So früh morgens ist es noch stockdunkel, und ich parke immer an derselben Stelle hinter dem Büdchen.»
Bernd Leunen nickte. «Ich tippe auf Jugendliche», sagte er, nannte es groben Unfug und ließ sich auf Sachbeschädigung heraufhandeln, wobei festzuhalten blieb, dass kein Schaden entstanden war. Allerdings versprach er, noch einmal mit Alex zu reden.
«Und was soll ich ihm antworten, wenn er mich fragt, warum der Kontakt zu seiner Tochter wieder
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