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Die Schuldlosen (German Edition)

Die Schuldlosen (German Edition)

Titel: Die Schuldlosen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Hammesfahr
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ein Blatt Papier mit den Worten «Bilde dir nicht ein, du wärst sicher, wenn du deine Tür hinter dir zumachst» liegen können.
    Nachdem sie den ersten Schock überwunden hatte, drückte Heike ihre Wohnungstür zu und kontrollierte erst einmal sämtliche Räume gründlich, schaute hinter die Türen, hinters Bett, in den Kleiderschrank und die durch den Duschvorhang sichtgeschützte Badewanne. Hätte ja sein können, dass er noch da war und sich in einem Versteck an ihrem Schrecken ergötzte. Dem war aber nicht so.
    Es gab auch keine Verwüstungen, weder aufgeschlitztes Bettzeug oder Sofapolster noch Schmierereien an den Wänden. Außer den geköpften Rosen deutete nichts darauf hin, dass sich in den letzten Stunden jemand unbefugt in ihrer Wohnung aufgehalten hatte. Und es brauchte nicht viel Phantasie, um sich vorzustellen, wie Polizisten die Lage beurteilen würden.
    Wie sollte sie beweisen, dass sie nicht selbst zu einer Schere gegriffen hatte, um einen billigen Rosenstrauß zu köpfen, den sie sich noch dazu nur ausnahmsweise gegönnt hatte? Aus dieser Überlegung heraus verzichtete Heike darauf, die Polizei zu alarmieren. Sie zückte ihr Handy nur, um das blutrote Herz, den Pfeil sowie die Vase mit den Stängeln aus verschiedenen Perspektiven abzulichten.
    Danach grübelte sie, wie er in ihre Wohnung gelangt sein mochte. Ins Haus schaffte es jeder. Wenn die Eingangstür ausnahmsweise geschlossen war, setzte man auf Unvorsichtigkeit und die Tücken der antiquierten Gegensprechanlage, über die selten mehr als ein fürchterliches Krachen und Krächzen zu hören war, das genervte Mieter veranlasste, ohne explizite Nachfrage den elektrischen Türöffner zu betätigen.
    Die Wohnungstüren waren genauso wenig ein Hindernis für einen entschlossenen Mann. Es hatte hier schon mehr als einen Einbruch gegeben. Allerdings waren ihre Tür und das Schloss unbeschädigt. Und es war ordnungsgemäß abgeschlossen gewesen, als sie ihren Schlüssel eingesteckt hatte. Sie hatte zweimal umdrehen müssen, da war sie vollkommen sicher.
    Aber ein raffinierter, mit einigen Knastwassern gewaschener Hund wusste sich garantiert zu helfen. Womöglich hatte er in der Schlosserei gearbeitet und dort die Herstellung nützlicher Instrumente erlernt. Vielleicht hatte auch nur ein Geldschein den Besitzer gewechselt. Das Hausmeisterehepaar war kleinen Trinkgeldern nicht abgeneigt und verfügte über einen Universalschlüssel, der in alle Wohnungs-, Keller- und sonstigen Türen passte.
    Vielleicht hatte er einen einfältigen Handwerker gemimt, einen Werkzeugkasten getragen und etwas gesagt wie: «Entschuldigen Sie bitte die Störung, es ist mir furchtbar peinlich. Ich soll bei Frau Jentsch mal nach der Waschmaschine sehen. Da tropft was, muss die Pumpe sein. Sie hat mir gestern extra einen Schlüssel vorbeigebracht, weil sie nicht den ganzen Tag auf mich warten konnte. Der Schlüssel muss mir heute bei irgendeinem Kunden aus der Hosentasche gerutscht sein. Der findet sich garantiert wieder, keine Sorge. Aber wenn ich jetzt alle abklappere, bei denen ich heute war, es ist ohnehin schon spät …»
    Vielleicht hatte er sich auch als besorgter Freund ausgegeben, frei nach dem Motto: «Ich weiß ja nicht, ob Sie es wissen. Frau Jentsch lebte mit dem Mann zusammen, der Janice Heckler umgebracht hat. Frau Jentsch hat gegen ihn ausgesagt. Und er hat ihr gedroht, das würde sie noch bereuen. Vor zwei Wochen wurde er vorzeitig aus der Haft entlassen. Und jetzt kann ich Frau Jentsch nicht erreichen. Sie müsste zu Hause sein. Ich würde gerne mal nachsehen, wenn Sie mir freundlicherweise die Tür öffnen könnten.»
    Dazu ein unheilschwangeres Nicken und einer von den seelenvollen Blicken, die er besser beherrschte als ein Kardinal das Vaterunser . In dem Fall hätte er sogar sicher sein dürfen, dass ihn niemand in die Wohnung begleiten wollte. Als sensationslüstern konnte man das Hausmeisterehepaar nicht bezeichnen. Auf Stress legten sie auch keinen Wert, und bei Gefahr im Verzug blieben sie lieber im Hintergrund.
    Inzwischen war es Viertel nach zehn. Viel zu spät, um noch einmal in den Aufzug zu steigen, Herr und Frau Krahwinkel aus einer Seifenoper oder dem Bett zu klingeln und sich zu erkundigen, ob die beiden einem Fremden aufgrund einer nicht überprüfbaren Behauptung den Universalschlüssel überlassen hatten. Das würden die doch nie im Leben zugeben, gewiss nicht, wenn sie erfuhren, dass der vermeintliche Handwerker oder besorgte Freund ein

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