Die Schuldlosen (German Edition)
tun, als wäre nichts passiert. Lass wenigstens das Schloss auswechseln.»
Heike nickte. Und Gerhild fiel ein, dass Saskia die Notfallschlüssel gar nicht hätte weitergeben können. «Die liegen in meiner Schmuckkassette, und die steht oben in meinem Kleiderschrank. Da kommt sie nicht ran, außerdem ist die Kassette immer abgeschlossen.»
«Dann werde ich wohl ein ernstes Wort mit dem Hausmeister und seiner Frau reden müssen», meinte Heike.
Viel mehr konnte sie übers Wochenende ohnehin nicht tun. Nachmittags stellte sie Herrn und Frau Krahwinkel einige Fragen, ohne die geköpften Rosen zu erwähnen. Das Hausmeisterehepaar hatte weder einem besorgten Freund noch einem schusseligen Handwerker Heikes Wohnungstür aufgeschlossen und bestritt vehement, den Universalschlüssel jemals aus der Hand gegeben zu haben.
Einen Schlüsseldienst beauftragte Heike auch an dem Samstag nicht, damit wollte sie bis Montag warten. Sie kontrollierte nur wieder jeden Winkel ihrer Wohnung, als sie nach Hause kam, legte die Sperrkette vor, schloss die Tür ab, ließ den Schlüssel stecken und stellte noch einen Klappstuhl unter die Klinke, ehe sie sich ausnahmsweise ein Vollbad gönnte und sich anschließend für den Rest des Tages auf der Couch ausstreckte.
Sonntags fuhr sie noch vor Mittag nach Garsdorf und riskierte einen Abstecher zur Villa Schopf. Sie wollte Alex zur Rede stellen, drückte minutenlang auf den Klingelknopf. Aber es rührte sich nichts. Sie konnte nicht feststellen, ob er daheim war und sich taub stellte oder im Mercedes spazieren fuhr.
Danach aß sie mit ihrer Familie zu Mittag, fuhr anschließend mit Saskia und ihrem jüngeren Neffen zum Kino nach Grevingen. Der allwissende Max fühlte sich zu alt für einen Kinderfilm. Aber Sascha kam gerne mit. Saskia bekam die versprochene Schachtel Eiskonfekt, Sascha bevorzugte Popcorn. Während die Kinder wie gebannt auf die Leinwand starrten, hing Heike ihren Gedanken nach und kam zu dem Schluss, dass es die beste und preiswerteste Lösung wäre, wenn sie Frau Doktor Greta Brand informierte, damit die ihren Mandanten zur Räson brachte.
18.–20. Oktober 2010
Nachdem montags etwas Ruhe im Kaffeebüdchen eingekehrt war und Heike sich ein paar Sätze zurechtgelegt hatte, suchte sie die Nummer der Kanzlei heraus, die Albert Junggeburt damals so eilig für seinen Bruder angeheuert hatte.
Greta Brand war nicht auf Anhieb zu sprechen, verständlich bei einer vielbeschäftigten Anwältin mit einem Faible für verkorkste Typen. Sie rief jedoch kurz nach eins zurück. Gerhild war gerade mit der zweiten Lieferung gekommen und drückte ihr Ohr von der anderen Seite gegen Heikes Handy.
Heike schilderte der Anwältin die Ereignisse seit der vorzeitigen Haftentlassung der Reihe nach, verschwieg auch nicht Silvies Besuch im Kaffeebüdchen und die Anschuldigungen, die dabei gegen sie erhoben worden waren. Nur die mysteriöse Klamottengeschichte kehrte sie unter den Tisch, um der Anwältin kein Futter für ein Wiederaufnahmeverfahren zu liefern. Als sie zu den gelösten Radmuttern kam, wurde sie unterbrochen.
Greta Brand wusste bereits davon, weil Alex den versprochenen Besuch von Bernd Leunen bekommen, sie danach umgehend informiert und seine Unschuld beteuert hatte. Und die Anwältin glaubte ihm natürlich.
«Ich wüsste aber sonst keinen, der es auf mich abgesehen haben könnte», sagte Heike. «Meine Aussage hat ihn hinter Gitter gebracht. Und wenn Silvie ihm jetzt eingeredet hat, er hätte unschuldig gesessen, hätte er allen Grund, sauer auf mich zu sein.»
«Dass er sauer auf Sie ist, steht außer Frage», meinte Greta Brand. «Dafür hat er auch einen sehr guten Grund, der jedoch nichts mit seiner Haft zu tun hat. Und er würde Ihnen – egal mit welchem Grund – keinen Schaden zufügen, da bin ich sicher. Er meinte, Sie hätten die Radmuttern eigenhändig gelöst, um ihm etwas anzuhängen und ihn erneut loszuwerden.»
«Der ist ja nicht bei Trost», sagte Heike. «Ich bin auf den Wagen angewiesen und nicht lebensmüde.»
Durchs Telefon drang ein kleines Lachen. «Das Risiko eines Unfalls dürfte im Stadtverkehr, also bei geringer Geschwindigkeit, minimal gewesen sein», meinte die Anwältin. «Von der S-Bahn-Station bis zu der Werkstatt, in der Sie waren, sind es nur zwei Kilometer. Wenn Sie die Radmuttern erst unmittelbar vor Antritt dieser Fahrt gelöst …»
«Habe ich aber nicht», fiel Heike ihr ins Wort. «Und Alex hat sich nicht nur an meinem Auto zu
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